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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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arbeiten, als wäre er ein technisch überzüchtetes Menschensimulakrum. Aber seine Redeweise – er hatte einen leichten Boston-Akzent – war sehr präzise und akademisch. Und er besaß diesen stahlblauen Haarwust, der meinen Blick magnetisch anzog. Offensichtlich war er ein frühes Opfer kosmetischer Genmanipulation.
    Seine Augen zuckten nervös hin und her; sein Charakter kauerte furchtsam in diesem riesigen, skulpturalen Körper.
    Wenn er die erste Wahl für einen Kundenbetreuer war, dann fragte ich mich, was für Gestalten hier hinter den Kulissen am Werk sein mussten. Manches an Softwareprojekten änderte sich offenbar nie.
    Der Bus spie uns an einem schick aussehenden Universitätsgebäude aus. Im Innern befand sich ein hell erleuchteter Hörsaal mit Sitzreihen und einer tiefen Bühne, die so aussah, als könnte man dort große dreidimensionale VRs zeigen. »Ihr müsst unsere Einführungsveranstaltung über euch ergehen lassen«, sagte Vander entschuldigend. »Bundesgesetz.« Er führte uns in die Mitte der ersten Reihe, sprang mit einer seltsamen Anwandlung von Sportlichkeit über die Rücklehnen der Sitze und nahm in der zweiten Reihe Platz. Dann klatschte er in die Hände, und das Licht erlosch.
    Auf der Bühne erstand ein riesiges Bild der Erde, vom Raum aus gesehen, außerordentlich detailliert und herzzerreißend schön. Ich sah die breiten Streifen sich ausdehnender Wüsten um die mittleren Breiten, den eigenartigen Glitzereffekt über einem großen Teil Südamerikas, der die Zerstörung des Regenwalds anzeigte, und das tiefe Blau des Nordpols, einen sich drehenden Ozean ohne eine Spur von Eis. Eine ernste Stimme begann mit ihrem Vortrag und spulte Statistiken über Veränderungen der Walddecke und der Meerestemperaturen ab.
    »Sie sagen, es sei gesetzlich vorgeschrieben, dass wir uns das bis zu Ende ansehen müssen«, meinte Shelley sarkastisch.
    »Ja, so ist es«, erwiderte Vander abwehrend. »Zum Beispiel werden eure Reaktionen auf die Bilder nicht-invasiv überwacht. Es gibt jede Menge Verrückte da draußen, die den Klimawandel offenbar für eine gute Sache halten – oder zumindest für etwas, was von ganz oben bestimmt ist. Für sie ist Gea so eine Art Quantencomputer-Antichrist. Außerdem könnte euch dieses Schulungsmaterial tatsächlich helfen, Geas Ergebnisse besser zu verstehen, vorausgesetzt, sie hat eine Antwort auf eure Frage bezüglich dieser Methanhydrate parat.«
    »Ist das nicht selbstverständlich?«
    Allein schon die Frage schien ihn zu kränken. »Sie ist schließlich keine Rechenmaschine. Man legt nicht einfach einen Schalter um. Jedenfalls ist der Überblick oftmals nützlich. Die fantastische Unwissenheit mancher Politiker und anderer Berühmtheiten, die wir hier durchschleusen, ist wirklich unglaublich.«
    Vor uns kam die vollautomatische Präsentation allmählich in Schwung.
    Der Global Ecosystems Analyser war die Krönung aller bis zu diversen bahnbrechenden Studien aus der Zeit der Jahrhundertwende zurückreichenden Versuche, die dynamischen natürlichen Systeme der Erde insgesamt nachzubilden und ihre Entwicklungsprozesse vorherzusagen. Gea wurde von einem Konsortium finanziert und betrieben, zu dem das World Resources Institute, die Weltbank und die UN-Kommissionen für Entwicklung, Erziehung, Flüchtlinge, Umwelt, Landwirtschaft und andere gehörten. All dies wurde vom Forum für Biosphärenwandel koordiniert, einer zentralen Patronats-Organisation.
    »Die Politik hinter Gea ist chaotisch«, sagte Vander trübselig. »Beinahe so kompliziert wie die Klimamodellierung selbst und weitaus weniger nützlich…«
    Gea bezog Daten aus einer großen Bandbreite von Quellen. Es gab Echtzeit-Downlinks von Satelliten und von einem Netz miniaturisierter Systeme, die ins Gewebe des Planeten eingebettet waren. »Im Innern jedes seit 2040 verkauften Softscreens«, sagte Vander stolz, »befindet sich ein Umweltmonitor mit einer Direktleitung zur Gea-Suite.« Dann gab es Ströme nicht ganz so aktueller, aber nicht weniger wichtiger Sekundärdaten über Demografie, Biodiversität und Landwirtschaft. Hinzu kamen von Experten begutachtete, relevante wissenschaftliche Abhandlungen. Auf diese Weise überwachte Gea jeden Aspekt des Klimas und der Geografie der Welt, die Meere, die Atmosphäre und die globalen Zirkulationsmuster – und nicht zuletzt den Einfluss der Menschheit.
    Vander sagte: »Der Trick besteht darin, die Ökosysteme als riesige Maschinen zu betrachten. Gea sammelt

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