Trantüten von Panem
Stylistenassistenten. Sie hat auch diesen komischen Kapital-Dialekt und zieht die Vokale so sehr in die Länge, dass ich sie kaum verstehe. »Du host ja a Fell wia a Aff!«
Ich bin müde. Ich habe letzte Nacht im Bahnhofsmotel kaum ein Auge zugemacht. Das Bett war einfach zu weich und zu sauber.
Jetzt liege ich in einem kalten Zimmer, das voller Kosmetika und Spiegel ist. Hier wollen mir die Stylisten also ein neues Aussehen und neue Klamotten für die Eröffnungszeremonie verpassen. Die Stylisten sind ein komischer Haufen. Wie alle Bewohner des Kapitals sind ihre Mode, ihre Eigenheiten und ihr Dialekt ganz anders als das, was ich gewohnt bin.
Ein anderer Assistent, Pangasius, sitzt in einer Ecke und streichelt seine falschen Hörner. Plötzlich steht er auf und kommt zu uns herüber. »Immer derfst du waxn«, beschwert er sich bei Flunda.
»Ja mei. Ohne Händ’ werd des wohl nix werdn«, erwidert Flunda. Und sie hat recht. Pangasius, ganz der Modenarr, hat sich dem letzten Schrei nach den linken Arm abnehmen lassen. Er ließ ihn sich an der Schulter abschneiden. Wenn es auch etwas merkwürdig sein mag, so bestaunen selbst wir aus Distrikt 12 die wunderschöne Asymmetrie der sogenannten Amputistas, die überall im Fernsehen und auf den Laufstegen zu bewundern sind.
Hoffentlich hacken sie mir nicht auch den Arm ab , denke ich und erzittere vor Kälte. Ich bin splitternackt – wie ein unbeschriebenes Blatt, auf dem sich das Team der Stylisten austoben kann.
Pangasius schmiert mein Gesicht mit Creme ein. »Geh her, Deandl. Etz werd’ rasiert«, verkündet er.
Während er mit dem Rasierer meine langen Gesichtshaare abschneidet, denke ich daran, dass es im Crack bei einer Frau ein Zeichen der Stärke ist, wenn sie ein paar lange Barthaare aufweisen kann. Als ich mich aufsetze und mit den Händen über mein glattes Gesicht fahre, nickt auch die dritte der Assistenten zustimmend. Sie heißt Oktopus. Ihr Gesicht spiegelt ihr Modebewusstsein wider. Sie ist wirklich auf dem neuesten Stand, ein wahres Fashion Victim. Sie hat sich nämlich alle Zähne ziehen lassen.
»Des wars«, erklärt Pangasius. Er scheint mit seiner Arbeit zufrieden zu sein. »De Hoar san weg, de Wimmerl und de Warzn aa. Dei Greiz hammer a wiada grodbogn, und dei Duddln ham etz die gleiche Graeiss.«
»Vielen Dank«, sage ich und versuche, so höflich und nett wie möglich zu klingen. Spätestens wenn die Hungerspiele beginnen, werde ich mehr als genug Feinde haben. Da kann es nicht schaden, wenn wenigstens die Stylisten auf meiner Seite sind. Außerdem scheinen sie auf meine Vorstellung als unbedarftes, kleines Ding hereinzufallen. Ich werde die Show also weiter durchziehen. »Bei uns zu Hause gibt es eigentlich keinen Anlass, um sich hübsch zu machen«, fahre ich fort, kneife mir selbst in die Wange und fange peinlich berührt zu kichern an.
Die Assistenten kreischen vor Entzücken auf. Sie sind sich durchaus bewusst, dass ich ohne Kapital keine einfache Kindheit gehabt haben kann.
»Fang bloß ned mit dem Politikschmarrn aa«, stöhnt Oktopus. »Habts ihr gseng, wos der Präsident letzts Jahr, oghabt hod? An Nadelstreifenanzug? Der hod ausgschaugt wia a Kakadu.«
Sofort öffnet sich die Tür, und eine Schar Friedensengel in weißen Uniformen tritt ein. Sie packen Oktopus und zerren sie mit sich.
Flunda räuspert sich. »So, Spatzl, des wars für heid. Etz, wost nimmer so schiach bist, derfst aa zum Oberschdailistn.« Endlich werde ich also den berühmten Stylisten Penna treffen.
Pangasius und Flunda schnappen sich ihre Gerätschaften und verlassen den Raum. Kaum sind sie verschwunden, merke ich, dass ich noch immer vollkommen nackt bin. In Gegenwart der Assistenten machte mir das nichts aus. Schließlich gefiel mir das Getue um meine Person, und ich fühlte mich geschmeichelt. Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass sie auch nackt waren, aber das war bei den vielen Tattoos und den extragenitalen Accessoires schwer zu sagen.
Die Tür wird zurückgeschoben. Anders als bei uns in Distrikt 12, wo es eigentlich nur Kartoffelsäcke gibt, die man vor Löcher hängt. Da steht auch schon ein älterer Mann vor mir, der in einen grünen Leinenkittel gekleidet ist und elegant einen Eimer in der Hand hält – der letzte Schrei. Er mustert meinen nackten Körper. Ich muss jetzt ganz still stehen, um ihm zu zeigen, dass ich ihm und seinem Urteilsvermögen vertraue.
Nach ungefähr vier Minuten kann ich nicht mehr an mich halten: »Sie sind aber
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