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Trapez

Trapez

Titel: Trapez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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ein Tornado war?«
    Mario lächelte Tommy schnell und heimlich zu. »Ich hab’ mir so was gedacht.«
    Papa Tony butterte ausgiebig ein Brötchen. » Weißt du noch, wieviel Angst Elissa während eines Gewitters hatte, Matt? Sie ist immer aufgestanden und zu ihrer Mutter ins Bett gekrochen oder zu dir oder jedem, der in der Nähe war…«
    Tommy kicherte und Mario sagte schnell: »Gib mir die Kaffeekanne, Tom.« Als Tommy danach griff, gab ihm Mario einen schnellen harten Tritt ans Schienbein.
    Tommy sagte hastig: »Ich hab’ einmal Schläge bekommen dafür, dass ich während eines Gewitters in einen Schrank geklettert bin, als ich vier war. Ich bin darin eingeschlafen, und Mutter hat den ganzen Hof nach mir absuchen lassen. Sie dachte, ich sei verlorengegangen oder gekidnappt worden. Hattest du keine Angst vor Gewittern, als du ein Kind warst, Mario?«
    »Ganz unter uns, ich hatte immer Angst, und Liss kam rein und hat mich getröstet. Sie hat bloß immer Angelo erzählt, dass sie Angst hatte, weil sie nicht wollte, dass er erfuhr, was für ein großes Baby ich war, und ein Mädchen darf ruhig Angst haben.«
    »Tja, du Schlingel«, sagte Angelo voll Zuneigung, »ein Junge mit fünfzehn darf keine Angst vor Gewitter haben.
    Oder zu seiner großen Schwester ins Bett kriechen. In dem Alter solltest du dir ein anderes Mädchen suchen, um dich aufzuwärmen.«
    »Angelo, basta!« fuhr Papa Tony ihn an und ließ noch eine Kaskade auf Italienisch folgen. Tommy konnte nicht viel davon verstehen, aber er wu ss te schon lange, dass Papa Tony schlüpfrige Andeutungen nicht leiden konnte und dass er bei Tommys Anwesenheit oder zu Hause die Gegenwart der Kinder dazu benutzte, es zu unterbinden, wann immer es anfing.
    Angelo sagte reumütig: »Na ja, Papa, in seinem Alter hat er das wahrscheinlich schon selbst rausgefunden. Und wenn nicht, ist es wohl sowieso hoffnungslos.« Er stopfte einen letzten Brötchenhappen in seinen Mund und ging pfeifend hinaus, um seine Trainingssachen anzuziehen.
    Während des Morgendurchlaufs war Tommy ein wenig unsicher. Wie konnte er nach gestern Abend seinen Freund unpersönlich berühren, ohne all das neue Wissen in ihm zu betrügen? Oder würde Mario ihn sogar plötzlich wieder anfahren? Aber die Gewohnheit trug ihn durch die ersten paar Minuten, als er zu der seltsam ernüchternden, aber festigenden Einsicht kam, die der erste Schock nach dem sexuellen Erwachsenwerden ist: dass sogar die intensivsten sexuellen Erfahrungen absolut keine sichtbaren Spuren hinterlassen. Marios Körper war genau der gleiche, starke, freundliche, unpersönliche Partner, der er immer gewesen war. Und Mario war in guter Form; er flog von Stange zu Stange mit der perfekten Präzision, dem absolut haargenauen Dasein, das aus Mangel an akkurater Beschreibung Timing genannt wird.
    Es war mehr, als nur zu wissen, wann man sich bewegen mu ss te; es war das, was den Unterschied zwischen einem fähigen Artisten und einem Star ausmachte.
    Tommy erkannte, kurz und glücklich, wie stolz er auf sein einzig wirkliches Talent gewesen war, sich durch ihre Duonummer zu bewegen, als ob er Marios identischer Schatten sei oder als ob das gleiche Uhrwerk sie beide völlig deckungsgleich bewegte. Er sagte zu sich: Wir bewegen uns, als ob wir einen Herzschlag hätten. Er war immer noch zu unbedarft, diesen Gedanken weiter zu verfolgen.
    Später, als er Mario und Angelo an einem schwierigen Trick arbeiten sah, fiel es ihm wieder auf. Sie haben es, sogar mehr als Mario und ich – so verdammt perfekt, als ob sie eine Person in zwei Körpern wären. Plötzlich erf üllt von Selbstvertrauen, rief Mario Angelo zu: »Glaubst du, dass du mich heute Morgen beim Dreifachen halten kannst?«
    Angelo rief zurück: »Klar! Worauf wartest du?«
    Mario spannte sich an, Tommy sah zu und gab ihm das Trapez, sah zu Angelo hinüber, der schon seinen Schwung aufnahm, und dachte: In diesem Augenblick ist Angelo der einzige Mensch in seiner Welt. Während er zusah und seine eigenen Muskeln sich verkrampften, als sein Bewu ss tsein mit Mario auf den immer schneller werdenden Flug hinausging, streifte ihn nur leicht der Gedanke, wie eine Wolke, die kurz die Sonne verdeckt, Ich wollte, ich könnte ihn jetzt fangen…ob ich es jemals kann.. . und dann wurde all das wieder weggewischt durch die völlige Beschäftigung mit Mario, der losließ , sich drehte… noch mal… noch mal… Tommy fühlte den Ruck beinahe an seinem eigenen Körper, als sich Hände und

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