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Trapez

Trapez

Titel: Trapez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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gewesen war, und nichts als Ruin würde folgen …
    Mario sah ihn bedrückt an. »Ich hab’ dir das alles eingebrockt, Tommy. Ich könnte mich umbringen, jetzt, wo ich merke, dass ich dir all das verdorben habe. Den ganzen Spaß vom – vom Erwachsenwerden. Ich schwöre, ich wollte nur, dass du glücklich bist. Und ich, ich hab’ dir deine Jugend weggenommen …«
    Tommy erkannte mit steigender Verzweiflung, dass Mario in eine dieser selbstverdammenden Schuldlaunen geriet, die für beide eine Tortur waren. Mit gereizten Nerven und dem Gefühl, dass er nach dem anstrengenden Gespräch mit Angelo am Morgen nichts mehr ertragen konnte, ließ Tommy seinen Schmerz wieder in Zorn aufbrausen.
    »Oh, sei doch nicht so verdammt kitschig! Ich nehm’ sie mit ins Kino und das war’s dann. Ich werd’ nicht mit ihr ausgehen und sie bumsen, um Himmels willen!«
    Mario lächelte, ein komisches, bitteres Lächeln. »Warum nicht? Es würde ihr sicher gefallen.«
    »Hör zu«, sagte Tommy und ballte wieder seine Fäuste.
    »Hör damit auf! Little Ann ist ein nettes Mädchen, ich kenne sie schon mein ganzes Leben lang. Ich mache auch keine schmutzigen Bemerkungen über Liss, oder?« Und dann kochte sein Groll wirklich über. »Und wenn ich, verdammt noch mal, mit einem Mädchen ausgehen will oder mit ihr rummeln oder sie bumsen will, dann werde ich sicher nicht auf die Knie fallen und fragen, ob es dir recht ist!«
     
    Sonntagmorgen klopfte Tommy an die Tür des roten Wohnwagens. Margot Clane öffnete, in einen ausgeblichenen blauen Kimono gehüllt. »Ach, Tommy, du lä ss t dich in letzter Zeit selten sehen! Wolltest du was Bestimmtes oder nur so Guten Tag sagen? Willst du reinkommen?«
    »Nein, danke.« Er sah sie unsicher und kritisch an. Er kannte Margot Clane sein ganzes Leben, und zum ersten Mal bemerkte er, dass es zwischen der Person, die er kannte, und der Person, die sie wirklich war, eine enorme Kluft gab.
    Tommy war noch zu jung, um diesem Gedanken bis zu seinem logischen Schlu ss zu folgen: da wir einen Menschen niemals völlig kennen können, müssen wir notwendigerweise die Oberfläche akzeptieren. Sein Bewu ss tsein wurde erschüttert, ohne dass er etwas Stabiles fand, um es abzustützen; er erkannte noch nicht, dass er tatsächlich etwas von der wirklichen Margot in der freundlichen, leicht erregbaren Frau gekannt hatte, die er ›Tante Marge‹ gerufen hatte, als er klein war, die ihm seine ersten Schritte am Trapez beigebracht hatte. Jetzt, da er einen Blick auf den enormen Abgrund zwischen seiner Tante Marge und der Frau geworfen hatte, die ein Verhältnis mit Angelo hatte, glaubte er, dass er überhaupt nichts von ihr wu ss te. Er sah sie auch zum ersten Mal als eine Frau und das störte ihn, ohne dass er wu ss te, warum.
    »Ich hab’ Little Ann gesucht. Ist sie da?«
    »Drüben in Ma Leightys Wohnwagen. Du arbeitest dieses Jahr gar nicht bei der Garderobe?«
    »Sie haben zu viel anderes für mich zu tun«, sagte Tommy. Er ging hinüber zu dem riesigen Wagen, der als Garderobe für die Lambeth-Show diente. Little Arm überprüfte die Kostümständer unter einer nackten Glühbirne, eine getippte Liste in den Händen. Die Enden ihres langen blonden Haares waren zu kleinen Locken aufgerollt und mit gekreuzten Haarklammern festgesteckt. Ellen Brady kniete vor einem Schrank, in dem sie herumwühlte. Ma Leighty saß auf der schweren Bank am Ende des Wohnwagens – kein gewöhnlicher Stuhl konnte sie halten – und nähte mit klein en, schnellen Stichen eine Tüll rüsche.
    »Kann ich reinkommen, Ma?«
    Beide Mädchen drehten sich um, und Ellen ließ eine kleine Metalldose klappernd fallen.
    »Oh, Elly, du hast den Glitzer verschüttet. Hey, la ss mich das aufsammeln.« Tommy kniete sich neben sie hin. »Gib mir ein Blatt Papier, bloß damit nichts dazwischen kommt, was schon auf dem Fußboden geklebt hat.«
    Vorsichtig bürstete er das rote, glänzende Material auf das Papier und ließ es dann zurück in die Büchse rieseln.
    Ellen war hübscher als Little Ann, ein ruhiges, braun äugiges Mädchen mit dunklen Zöpfen, die vorn auf ihren Schultern lagen. »Ich dachte, du hättest diese ganzen Kleinigkeiten vergessen.«
    »In einem Winter? Für was für ein Dummerchen hältst du mich?«
    »Wo hast du gesteckt?« fragte Ellen.
    »Direkt vor deinen Augen. Oben auf dem Trapez«, erwiderte Tommy. »Und wenn du mich nicht siehst, halt bloß dein Ohr in die Richtung und hör auf Papa Tonys Schimpfen!«
    »Warum arbeitest

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