Trapez
die plötzlich zu einem Hochseil geworden war, hundert Meter hoch. »Das, was für Kinder aufregend ist, das, was Kinder in meinem Alter wollen, bedeutet mir einfach nichts mehr. Was sie wollen ist irgendwie – irgendwie jung und verrückt. Sie wissen nicht, was sie wollen oder wohin sie gehen.«
Angelo klopfte ihm mit ungeschickter Zärtlichkeit auf die Schulter. »Ich weiß , Junge, ich weiß . Matt hat dich ganz verrückt gemacht mit all dem Fliegerkram, nicht wahr? Die Santelli-Tradition, und wie du ihr dein Leben widmen sollst, und all das – das Zeug. Stimmt’s?«
»Ist das nicht richtig?« fragte Tommy mit starrer Feindseligkeit.
Angelo seufzte. »Nein, Junge, das ist großartig , soweit wie es geht. Aber behalte deinen Überblick, Tommy.
Steck nicht deine ganze Energie da rein. Heb dir ein bi ss chen auf, um dein Leben zu genießen . Du bist jung, genieß es.«
»Kannste mir sagen, wer es je genossen hat, jung zu sein?« scho ss Tommy zurück, und Angelo starrte ihn an, schockiert von der Bitterkeit in der Stimme des Jungen.
»Ich bin doch, verdammt noch mal, zu jung für alles, oder?«
Angelo sagte: »Oh, Jesus, Junge, so schlimm ist es doch nicht!« Er blickte eine Weile geradeaus, ohne zu sprechen und sagte dann: »Pa ss auf, kaufen wir lieber ein.
Wir müssen vor der ersten Vorstellung zurück sein.« Er öffnete die Tür und setzte sich auf den Vordersitz. Tommy rutschte hinüber und gab das Lenkrad frei.
» Weißt du, wo der Hund wirklich begraben liegt?«
fragte Angelo. »Ich hab’ Matt gesagt, dass er mit dir zu jung angefangen hat. Das ist die ganze Schwierigkeit. Ich hab’s Matt gesagt, aber man kann ihm ja nichts sagen. Er sollte es wissen. Er nimmt zu viel weg von einem Jungen wie dir.«
»Aber es ist nicht Marios Schuld«, protestierte Tommy verzweifelt. »Ich wollte fliegen – ich war der, der gebettelt hat, dass er es mir beibringt. Ich bin doch gar nicht so jung…«
»Hey, ruhig, ruhig«, sagte Angelo, »reg dich doch nicht auf. Ihr Kinder macht immer gleich so viel Wind um Nichts. Na ja, es ist wohl genauso meine Schuld wie Matts; ich hätte mit der Hand auf den Tisch schlagen können. Ich weiß – oh, Gott, ja, wie sehr weiß ich’s –dass wir dich jetzt nicht aufhalten können, ohne dir das Herz zu brechen. Aber – aber la ss es nicht dein ganzes Leben sein, ja? Das Leben ist mehr als Fliegen. Wenn du dich so aufregst, machst du mir eine Heidenangst.« Er lenkte das Auto auf den Parkplatz. »Hier, das sieht doch ziemlich anständig aus. Ich darf nicht vergessen, Scheuerpulver zu kaufen. Irgendwas im Kühlschrank stinkt, und wir sollten ihn besser heute Abend auswaschen.«
Sie kauften einen Vorrat an Lebensmitteln und fanden dann einen Drugstore, wo sie Sandwiches und heiße Schokolade bestellten. Als sie fast damit fertig waren, sagte Angelo: »Egal, du hast viel zu schwer gearbeitet.
Ich will nicht, dass dein Dad glaubt, wir hätten dich völlig verschlissen. Ich hätte wissen sollen, nachdem ich Matt, Liss und Johnny großgezogen habe, dass Kinder sich gern in Sachen verlieren. Na ja, erinnere mich dran, dass ich dich nächste Woche hierherbringe zum Verkehrsamt wegen deiner Fahrprüfung. Dann kannst du mal das Auto nehmen und mit einer deiner Freundinnen ins Kino gehn.«
»Welche Freundin?«
Angelo kicherte. »Du hättest keine großen Schwierigkeiten, eine zu finden. Little Ann, Ellen. Little Ann hat neulich was gesagt –weißt du, du hast bald den Ruf, eingebildet zu sein, als ob du glaubst, die anderen Kinder in der Show sind nicht gut genug für dich. Bloß weil du in einer Hauptattraktion auftrittst. Verärgere die Kinder nicht, Tom. Das meine ich wirklich. Wie lange seid ihr schon Freunde, Little Ann und du?«
»Gott, ich weiß nicht – seit wir Babys waren, glaube ich. Mutter sagte, sie kannte Margot schon Jahre, bevor sie zu Lambeth kam.«
»Und jetzt glaubt sie, du seist zu eingebildet, um mit ihr zu reden. Tom, ich versuch’ nicht, dein Leben für dich zu führen, aber es würde dir nichts schaden, etwas netter zu Little Ann zu sein. Du kannst das Auto haben, wenn du sie mal sonntags ins Kino mitnehmen willst.«
»Okay, ich frag’ sie.«
»Ich hätte schon früher daran denken sollen. Genau das meine ich – Du benimmst dich und siehst so aus wie ein Erwachsener. Keiner von uns denkt dran, sich um dich zu kümmern wie um jedes andere Kind in deinem Alter.« Er schob sein leeres Glas weg. »Wir fahren jetzt besser zurück.«
»Vergi ss das
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