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Trapez

Trapez

Titel: Trapez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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genau wie einen von uns.«
    »Ich hab’ ihn auch geliebt, Angelo«, sagte Tommy und wu ss te, dass sich seine Augen mit Tränen füllten. »Als ob er mein eigener Großvater gewesen wäre.«
    »Ich weiß , Junge.« Angelo zog ihn an sich und kü ss te ihn. »Gute Nacht, figlio, Gott schütze dich.«
    Tommy ging zu seinem eigenen Abteil, streifte seine Kleider ab und ging ins obere Bett. Er schlief nicht, hörte dem Klappern und Rasseln der Schienen zu, und ab und zu sandte die heulende Zugpfeife ihren ewigen Ruf in die Nacht hinaus.
    Wer ist einsam? Ich bin einsam.
    Er wu ss te nicht mehr, ob die Tränen auf seinem Gesicht durch Papa Tonys Tod oder durch die Traurigkeit dieses Rufes kamen. Nach einer langen Zeit sah er ein schwaches Licht auf dem Korridor, und Mario kam herein, setzte sich auf den Rand des unteren Bettes und fing an sich auszuziehen. Tommy beugte sich über den Rand seiner Koje und flüsterte: »Wie geht’s Angelo?«
    »Weggetreten. Die Schwester gab mir ein paar Pillen für ihn und nach einer Weile habe ich es geschafft, dass er sie nahm. Es muss ziemlich starkes Zeug gewesen sein. Er war sofort weg. Du armer Junge. Schläfst du auch noch nicht? Komm runter, wenn du willst.« Tommy kletterte hinunter und zu Mario ins Bett.
    »Diese Sache hat Angelo so schwer getroffen, dass niemand von uns bis jetzt eine Chance hatte, sie für sich zu verarbeiten«, sagte Mario.
    »Sie standen sich sehr nahe.«
    »Ich weiß . Joe und L ucia gingen ihre eigenen Wege – natürlich ohne ihre Schuld – und Angelo war alles, was Papa Tony hatte.« Mario war für einen Moment still.
    »Aber weißt du, ich möc hte auch einmal so abtreten. Er brauchte nie alt oder krank oder verkrüppelt zu sein. Und er hat erlebt, dass es mit uns wieder aufwärts ging.«
    »Aber er konnte sich nie zur Ruhe setzen und zu Hause bleiben und das Leben genießen .«
    »Er hätte sich nie zur Ruhe gesetzt, Tommy. Er liebte das Fliegen, und er starb gerade nachdem er einen großen Trick beendet hatte, den Applaus hörte und wu ss te – ich sollte eigentlich entsetzt darüber sein, dass er plötzlich gestorben ist, ohne eine Gelegenheit, mit Gott Frieden zu schließen …«
    »Worüber sollte er mit Gott Frieden schließen ?« fragte Tommy. »Er war ein guter Mensch.«
    »Ich vergesse immer, dass du nicht katholisch erzogen worden bist. Es soll schrecklich sein, ohne einen Priester zu sterben, und ohne eine Gelegenheit alle Sünden zu beichten, die du noch auf deinem Gewissen hast, aber« –er schluckte – »ich kann nicht anders, als froh zu sein, dass er auf dem Trapez gestorben ist. Bei dem, was er tun wollte. Ich hoffe, dass Gott das verstehen kann.«
    Tommy sagte heftig: »Ich würde nicht viel von einem Gott halten, der das nicht täte.« Papa Tony hatte ihm gegenüber immer wieder betont, wie gnädig, wie schnell der Tod von Tommys Eltern gewesen war.
    Und ich hab’ es nicht gewu ss t. Ich war noch nicht einmal da, als sie starben.
    Und dann erkannte er, mit einer Reife, die tragisch weit über sein Alter hinausging, dass er wirklich hierher zu Mario gehörte.
    »Ich habe ihn so seh r geliebt, Tommy«, sagte Mario, »er war der einzige Vater, den ich je gehabt habe. Ich erinnere mich überhaupt nicht an meinen wirklichen Vater.«
    »Mario, er war so stolz auf dich. Er wu ss te, dass du die Santellis wieder an die Spitze bringen würdest.«
    »Ich bin froh, dass ich wenigstens so viel für ihn tun konnte. Ich habe ihn so oft enttäuscht.«
    In der Dunkelheit suchte Tommy nach Marios Hand und hielt sie fest. Und wu ss te plötzlich das Richtige zu sagen: »Hör zu, Mario, Papa Tony wu ss te über – über dich und mich Bescheid, weißt du?«
    »Che – wie kommst du darauf?«
    Tommy erzählte ihm von ihrem Gespräch über dem Damebrett, und Mario stieß einen langen, zitternden Seufzer aus. »Ich hab ab und zu vermutet, dass er es wu ss te. Und dann bin ich immer in kalten Schweiß ausgebrochen .« Er stützte sich auf einen Ellenbogen. »Er hat mir mit dir vertraut, sogar nach dem – dem Ärger, in den ich damals geraten bin. Ich hab dir davon erzählt.«
    »Nein, nie«, sagte Tommy.
    »Ach, sicher. Ich hab dir erzählt, dass ich in Schwierigkeiten geraten war und aus dem College geworfen wurde…«
    »Du hast mir bloß erzählt, dass du im Gefängnis warst«, murmelte Tommy. »Du hast mir ein paarmal gesagt, dass du mir davon erzählen würdest, aber du hast es nie getan.«
    Stille und der lange Schrei der Zugpfeife an einem

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