Trapez
Bahnübergang. Rote und blinkende Lichter flackerten in dem schwarzen Quadrat des Fensters auf und als der Zug die Stadt wieder hinter sich ließ , wurde es wieder dunkel.
»Ich war schrecklich jung«, sagte Mario schließlich ,
»siebzehn und fürchterlich betrunken. Ich hab’ diesen Jungen getroffen, den ich von der Ballettschule kannte.
Wir haben ein wenig rumgefummelt. Wir haben bloß die falsche Zeit und den falschen Ort ausgesucht, und ein Bulle ist praktisch über uns gestolpert. Als sie uns dann vor Gericht ausfragten, bekam es der andere Junge mit der Angst zu tun und ände rte seine Geschichte und sagte, da ss ich – na ja, er sagte, dass alles meine Idee war. Da bin ich dann wegen Beihilfe zu einer Straftat mit Minderjährigen und ein paar anderer Sachen verurteilt worden. Ich war so dumm und so betrunken, als der Bulle uns aufsammelte, dass ich Angst hatte, in Schwierigkeiten zu geraten, dafür, dass ich in einer Bar und minderjährig war, also habe ich ihm gesagt – und es hoch und heilig beschworen –dass ich über einundzwanzig sei: Da haben sie mich dann als Volljährigen eingebuchtet. Und erwachsene Sexualstraftäter werden nicht allzu gut behandelt.«
Seine Stimme wurde leiser. »Als sie mir schließlich sagten, dass ich telefonieren könnte, hatte ich zu viel Angst, um Joe oder Angelo anzurufen, und ich konnte Bart nicht erreichen.« Tommy fragte sich, ob er Bart Reeder meinte, aber er wollte ihn nicht unterbrechen. »Aber als ich dann drei Tage nicht nach Haus gekommen war, fing Lucia an, Krankenhäuser anzurufen und landete schließlich bei der Polizei. Papa kam her und holte mich gegen Kaution raus, und natürlich war das erste, was er ihnen sagte, mein Alter. Also wurde ich zum Jugendgericht überführt, aber da stand ich schon ziemlich unter Schock. Ich war ja drei Tage im Bezirksgefängnis eingesperrt gewesen.«
Sein Gesicht war grimmig, weit entfernt in bitteren Erinnerungen.
Nach einer langen Zeit fragte Tommy flüsternd: »Was ist passiert? Haben sie dich ins Gefängnis gesteckt?«
Mario schüttelte den Kopf. »Nein, sie hörten mich als Jugendlichen an, und der Richter hat mir den Kopf gewaschen, hat mir gesagt, das Trinken sein zu lassen – seitdem habe ich nie mehr harte Sachen angerührt –, und er sagte, er sähe nicht viel Sinn darin, mich in eine Besserungsanstalt zu schicken, wo ich bloß dazu gebracht würde, das gleiche immer wieder zu machen. Also unterstellte er mich Papa Tonys Obhut.«
»Was hat Papa Tony gemacht?«
»Na ja, er hat mich nach Haus gebracht, und da sind alle über mich hergefallen – Lucia hat geweint, Angelo wollte mich windelweich schlagen, Joe fragte sich, ob man mich zu einem Psychiater schicken oder den Priester rufen sollte. Papa kam einfach herein – du weißt , wie er ist –, und weißt du, was er getan hat? Er schrie, dass dies seine Familie wäre, sein Enkel und dass er sich bei Gott selbst darum kümmern wird. Und ich dachte, er würde mich wenigstens auspeitschen, statt dessen nahm er mich mit in eine ruhige, kleine Bar und spendierte mir was zu trinken. Mein Gott, habe ich es da gebraucht. Ich bin fast zusammengebrochen. Du weißt , dass er nie trinkt – nur Vino zum Essen. Aber er gab mir einen Whiskey, und ich mu ss te ihn trinken, und dann sagte er: ›Also, Matt, du erzählst mir jetzt, was los ist. Von Angelo höre ich bloß , dass du uns Schande machst.‹ Na ja, ich konnte kaum ein Wort herausbringen. Ich war so durcheinander, aber ich brachte es schließlich heraus, irgendwie, und er sah mich wie ein Habicht an, und er sagte: ›Matty, schau mir in die Augen und sag mir: Dieser andere Junge, wollte er tun, was du getan hast?‹ Und Gott sei Dank konnte ich ihm direkt in die Augen sehen und sagen, ja. Dann fragte mich Papa Tony, ob das das erste Mal gewesen sei, dass ich das mit einem Jungen gemacht habe, und da er so anständig zu mir war, dachte ich, ich sag’ ihm die Wahrheit, auch wenn er mich dafür umbringt. Also sagte ich, nein, dass ich immer so gewesen wäre.
Er trank einfach sehr ruhig seinen Wein aus und sagte dann – ich werde es nie vergessen –, er sagte: ›Nun, vielleicht erziehe ich euch alle falsch. Aber wenn ich in diesem Moment tot umfalle, Matty, kann ich nicht sehen, dass du etwas so Schlimmes getan hast wie sie sagen. Ich kann nicht sagen, dass es mir gefällt, ich kann nicht sagen, da ss ich es verstehe, aber wenn du dein Leben so willst –du bist kein kleiner Junge mehr. Du bist erwachsen. Ich
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