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Trapez

Trapez

Titel: Trapez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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heimgeschickt wird.«
    Johnny setzte sich neben Angelo und legte einen Arm um ihn. Vorher, während des ganzen Abbaus waren Leute zu ihnen gekommen, um Mitleid oder einen aufrichtigen Händedruck anzubieten und um zu fragen: »Wie können wir helfen?« Und um schüchtern zu sagen, mit offensichtlicher Ehrlichkeit und sogar feuchten Augen, wie sehr alle Tonio Santelli gemocht hatten. Nett gemeint, wie es war, war es doch sehr anstrengend gewesen. Aber jetzt waren sie allein und obwohl alle Männer im Schlafwagen Papa Tony gekannt und gemocht hatten, gaben sie der Familie das einzige, was sie geben konnten: Eine dünne, geschlossene Tür, eine besondere Geschäftigkeit, um ihnen die zerbrechliche Illusion von Privatleben für ihre private Trauer zu geben.
    Johnny sagte: »Onkel Angelo, soll ich heute Nacht bei dir bleiben?«
    Er schüttelte den Kopf. »Und Stel ganz allein lassen?
    Nein, Jock, bleib bei ihr. Ich bin in Ordnung, und Matt und Tommy sind sowieso nebenan, wenn ich etwas brauche.«
    Nach einem längeren Schweigen sagte Johnny: »Ich hab’ auch an die Nacht gedacht, in der Joe und Lucia verletzt wurden. Wir hatten den großen Salonwagen im Zug von Starrs, und bevor er herausfuhr, kam Cleo und hat uns Kinder ins Bett gebracht. Als Papa Tony dann hereinkam, heulten wir alle schon wieder. Arme kleine Liss –weißt du noch, wie sie in der Nacht versucht hat, uns zu bemuttern? Mark war der Schlimmste. Er weinte immer weiter. Groß wie er war, hatte Liss ihn auf ihrem Scho ss und versuchte ihn zu wiegen.«
    »Ja, ich weiß noch«, sagte Angelo heiser. »Ihr alle in den rotgestreiften Flanellnachthemden, die ihr Kinder immer anhattet. Ich konnte nichts für euch tun, aber Papa Tony kam herein und setzte sich an Liss’ Bett, und er sah euch Kinder bloß an und sagte –weißt du noch Matt? – , er sagte: ›Ei, ei, jetzt ist nicht die Zeit, um Wache zu halten. Betet lieber für eure Mutter, als um sie zu weinen‹.
    Und er legte seine Hand unter Liss’ Kopfkissen, wo sie ihren Rosenkranz aufbewahrte und begann ein Ave Maria aufzusagen und ihr habt alle nacheinander zu weinen aufgehört und mit ihm zusammen gebetet.« Er legte sein Gesicht wieder in seine Hände.
    »Ja«, sagte Johnny leise. »Aber er hatte den richtigen Einfall, weißt du?«
    »E vero.« Angelo suchte auf dem Regal und nahm eine Kette kleiner, schwarzer Perlen heraus und fing an, auf Italienisch zu murmeln. Johnny und Mario senkten ihre Köpfe, und begannen es auf Englisch zu wiederholen.
    Das Glaubensbekenntnis der Apostel war Tommy nicht vertraut, aber als Angelo das Vaterunser begann, erkannte er es und stimmte ein. Aber als sie dann mit dem Ave Maria anfingen, bedeckte er sein Gesicht und hinter seinen geschlossenen Augen fühlte er den Schmerz der Trä nen. Er dachte, dass er auch beten sollte, aber das Beste , was er tun konnte, war, immer wieder für sich zu wiederholen: »O Gott, sei bitte gut zu ihm«. Und es stimmte irgendwie nicht. Ihm war, als ob er schauspielerte, etwas dramatisierte, das wirklich und furchtbar war.
    Die ständigen Wiederholungen überraschten ihn. Wie den meisten Protestanten war ihm auch die Offenheit von katholischen Gebeten peinlich. Angelo sagte sie auf Italienisch, aber Mario neben ihm betete auf Englisch, und Tommy, der den wiederholten Ave Maria zuhörte, war verwirrt und beunruhigt. Sie waren alle sehr weit weg, und er merkte, dass sie alle einen Trost hatten, den er nicht teilen konnte. Mario mit seinem Gesicht hinter seinen Händen und geschlossenen Augen, murmelte: » Gegrü ß et seist Du, Maria, voller Gnade, der HERR ist mit Dir, Du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht Deines Leibes, Jesus. Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen. Gegrüßet seist Du, Maria, voller Gnade, der HERR ist mit Dir…«
    Tommy saß still neben ihm und fühlte, wie sich sein Hals zuschnürte, als das Gebet wieder und wieder zu dem leise wiederholten Jetzt und in der Stunde unseres Todes kam. In der Stunde unseres Todes. In der Stunde von Papa Tonys Tod. Er hatte Angst, dass er weinen würde. Es schien sehr lange zu dauern, bis sie fertig waren, und Angelo steckte den Rosenkranz wieder weg. Er sah ruhiger aus, und seine Stimme war gefestigt. Tommy fühlte, dass die Familie jetzt allein sein wollte. Er sagte Angelo gedämpft Gute Nacht. Der Mann legte einen Arm um seine Taille und drückte ihn.
    » Weißt du, Tom, er hat dich auch geliebt,

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