Trapez
dachte, ich hab’
ihr das aus Absicht angetan. Sie hat mich jedenfalls verlassen, als ich im Krankenhaus war, und Suzy mitgenommen. Das war das Baby. Keine Frau, keine Tochter, keinen Job – ich wu ss te nicht, ob ich jemals wieder würde fliegen können oder ob das Handgelenk endgültig kaputt war. Also bin ich einfach gegangen, genau wie du.«
Tommy griff nach Marios Handgelenk und bewegte es vorsichtig zwischen seinen Händen.
»Sieht jetzt in Ordnung aus.«
»Ich hab’ Glück gehabt. Ich hab’s mir schon mal gebrochen, als ich noch ein Kind war.«
»Ich weiß noch, wie du es mir erzählt hast.« In der Nacht, als wir in dem Trapezwagen gefahren sind. Es gab tausend unausgesprochene Dinge, die nie gesagt werden durften. Tommy wünschte sich plötzlich, dass er überhaupt nicht hierhergekommen wäre. »Aber es ist wieder in Ordnung?«
Mario hob die Schultern. »Scheint so, es tut noch manchmal weh. Ich muss immer einen Verband tragen.
Du sagst, du hast die Familie gesehen? Ich hab’ mich bloß gefragt, ob jemand vo n ihnen noch arbeitet. Ich hab’ keine Ausgabe von Billboard mehr gesehen. Ich hab’ mich wohl auch nicht getraut, es nachzusehen und herauszufinden.«
Sagt er die Wahrheit? Oder will er bloß , dass ich glaube, er wü ss te nicht, dass Lucia seit vier Jahren diese Anzeige aufgibt? Und langsam verrückt wird, weil sie nicht weiß , ob er lebt oder tot ist! Tommy wu ss te, dass er es nie erfahren würde, so wie er viele Dinge über diese verlorenen Jahre nicht erfahren würde.
»Sieh mal«, sagte Tommy unvermittelt. »Das Gerede mü ss te doch jetzt aufgehört haben. Ich hab’ mich gefragt, ob du vielleicht – vielleicht wieder im Team arbeiten wolltest. Wir haben doch ganz gut zusammengepa ss t.«
»O Gott«, flüsterte Mario. »Wenn wir das bloß könnten!«
»Gibt es einen Grund, warum nicht? Bist du wieder auf einer Schwarzen Liste gelandet? Vielleicht bei Starr?«
»Nein, ich bin nicht mal von Starr weggelaufen. Ich hab’ sie ganz ordnungsgemäß benachrichtigt, als ich im Krankenhaus war. Ich meine, mein Partner war völlig hin, und mein Handgelenk war so kaputt, dass ich sowieso für den Rest der Spielzeit aufhören mu ss te. Der Akt war zu Ende. Also mit Starr bin ich im reinen – sie haben mir sogar die Krankenhausrechnung bezahlt.«
Das hatte Tommy nicht gemeint, aber er widersprach nicht.
»Dann bist du also fest mit diesem Reddick zusammen?«
» Bloß für diese Saison, und die dauert nur noch sechs Wochen. Das einzige ist, ich bin pleite. Die Bezahlung hier ist gar nichts. Ich hatte ein bi ss chen Geld gespart, von der Saison bei Starr, aber ich hab’s Susan für das Baby gegeben. Aber mir gehört ein Teil des Hauses in L. A., vielleicht kann mich jemand aus der Familie auszahlen.«
»Nun, ich hab’ ein bi ss chen Geld«, sagte Tommy.
»Nicht viel, aber genug, um eine Weile auszukommen.
Noch was: Das ganze Geld, was ich mit der Nummer gemacht hab’, als ich ein Kind war und in dem Jahr bei Woods-Wayland ist immer noch irgendwo auf einer Bank. Als Treuhandvermögen oder so, bis ich einundzwanzig bin. Ich war bloß an meinem einundzwanzigsten Geburtstag in Deutschland. Wie ich schon gesagt hab’, ist das ganze Geld noch da, und ich kriege sogar Zinsen. Joe sollte darüber Bescheid wissen oder Angelo. Und nachdem mein Dad gestorben war, hat Jeff Cardiff die Katzen gekauft – das hat Angelo mir damals erzählt –, das Geld ist auch noch da. Es ist kein Vermögen, aber es würde für ein neues Trapez reichen, das wir uns machen lassen mü ss ten. Du mu ss t bloß noch einen Fänger finden und alles andere – du hast noch Kontakte. Ich nicht.«
»Was das angeht«, sagte Mario »zu Hause liegt noch eine Menge Trapez rum. Und ich glaube nicht, dass es jemand aus der Familie benutzt. Wir könnten den Winter über im Haus trainieren …«
»Aber würde deine Familie mich da wollen?«
Marios Gesicht verhärtete sich. »Das will ich doch hoffen. Wie schon gesagt, mir gehört ein Teil davon. Das Haus hat mal Papa Tony, Joe und Angelo zu gleichen Teilen gehört. Papa hat mir seinen Anteil hinterlassen.«
Dann lachte er. »La ss mal, Junge, die Familie würde mich wahrscheinlich gegen dich eintauschen. Sie haben alle viel von dir gehalten. Und keiner von ihnen hat die alte Geschichte über die Schwarze Liste gehört.«
»Wollen wir wetten? Aber du hast geheiratet, und ich war in der Armee – da ist viel Wasser den Flu ss runtergeflossen. Wir waren noch Kinder, und
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