Trapez
auf deine Seite. Als wir Kinder waren, waren es du und Liss gegen mich, und jetzt sind es du und Stel.«
Mario hatte sich auf die Bank fallen lassen. »Mir macht es keinen Spaß , mit dir zu streiten, Johnny.«
Tommy sah ihn entsetzt an. Eigentlich sollte er doch froh sein. Einmal hat er sich nicht von Johnny bequatschen lassen. Mario hatte es geschafft, überzeugend und sogar redegewandt über etwas zu sprechen, das ihm eine Menge bedeutete, aber jetzt sitzt er bloß da und sieht aus wie ein Häufchen Elend.
Johnny sah es auc h. »Hey, Matt, was nagt an dir? Stimmt was nicht?«
»Dieser verdammte Zahn. Der Zahnarzt hat irgend so eine vorläufige Füllung hineingetan, und es tut verdammt weh – ich muss in drei, vier Tagen wieder hin. Und ich muss noch Bart nach Hause bringen. Sein Auto ist in der Werkstatt.«
Aber Tommy wu ss te, dass es nicht so einfach war. Mario reagierte einfach nicht so auf Schmerz. Tommy kannte ihn schon zu lange, um sich hinters Licht führen zu lassen. Er hatte gesehen, wie Mario einige seiner Bestleistungen mit offenen Wunden an seinen Handgelenken und mit Netzabschürfungen, die höllisch weh getan haben mussten, geschafft hatte. Beunruhigt und ohne zu wissen, was er noch tun konnte, sagte er: »Schon gut, Matt, ich fahre Bart zurück nach Haus. Du bist sowieso nicht in der Verfassung zu fahren. Geh rauf und nimm ein Aspirin.«
»Aspirin, Quatsch«, sagte Mario mit einer Grimasse.
»Ich gehe rauf und frage Onkel Joe nach einem schönen Schluck Whiskey und sehe zu, ob das hilft.«
»Es wird dich wahrscheinlich total umhauen«, sagte Johnny. »Und das willst du wohl auch.«
Bart Reeder hatte sich wieder umgezogen. Tommys Stimme war barscher, als er beabsichtigte, als er sagte:
»Komm, Bart, ich fahr’ dich nach Haus. Du mu ss t mir aber sagen, wo es langgeht – ich weiß nicht, wo du wohnst.«
» Weißt du, wie man von hier auf die neue Autobahn kommt?«
»Klar.« Tommy fuhr aus der Einfahrt heraus.
Sie redeten einige Minuten lang nicht, dann sagte Reeder: »Du bist kein schlechter Fahrer. Schon mal Rennen gefahren?«
»Hatte nie die Gelegenheit. Als ich klein war, gab es eine Menge davon auf den Straßen , aber das fand ich immer ziemlich albern. Ich hatte auch nie ein eigenes Auto. Als ich in Europa war, bin ich nach Le Mans gefahren, um ein Rennen zu sehen, aber es macht mir nicht besonders Spaß , herumzusitzen und zuzusehen. Ich hab’
auch gewu ss t, dass das eine Stufe zu hoch für mich war.«
»Für mich auch. Ich hab’ manchmal gedacht, dass ich gerne hinter dem Steuer eines dieser großen Grand-Prix-Einsitzer sitzen würde, aber ich kenne meine Grenzen.
Ich bin zweimal als Beifahrer mit Tony Rogers in der Mille Miglia mitgefahren.«
»Das ist doch wohl nicht viel besser als zusehen.«
»Das zeigt, dass du nicht viel davon verstehst. Das ist die einzige Möglichkeit, bei einem Rennen mitzumachen, wenn du kein Fahrer bist, und glaub’ mir, keiner wird dich in seinem Auto haben wollen, wenn du nicht ganz genau weißt , was du da tust. Du mu ss t jedes Pfund deines Gewichts dahin stecken, wo es dem Fahrer am meisten nützt.« Er kicherte. »Jetzt, wo ich dran denke, wie mich Tony vor dem Rennen überprüft hat, das war nicht viel anders als die Art und Weise, wie Matt mich überprüft hat, bevor er mich neulich auf das Trapez gelassen hat.
Ein Experte ist wohl ein Experte, in welcher Kunst auch immer.«
»Kunst?«
»O sicher, Rennen fahren ist eine Kunst, wie jede andere. Du brauchst Talent und Können und besonderes Training. Wie Ballett oder Fliegen oder wohl sogar Geige spielen. Und zu alledem brauchst du das gewisse Etwas.
Ich hab’ mit Ballett aufgehört, weil ich das gewisse Etwas nicht hatte. Ich war nie mehr, als gerade ausreichend als Tänzer. Und ausreichend ist nicht gut genug beim Ballett.«
Tommy dachte darüber nach, als er das Auto auf die Autobahn steuerte und beschleunigte, um sich dem Verkehr anzupassen. »Matt hat mal so etwas gesagt.«
»Tom, was ist mit Matt los?«
Hatte Reeder es auch gemerkt? »Den Streit, den er mit Johnny hatte? Das bedeutet gar nichts. Er und Johnny streiten die ganze Zeit über diesen oder jenen Trick.«
»Das meine ich nicht«, sagte Bart. »Ich meine, was ist wirklich los mit ihm? Tom, ich kenne ihn seit zehn, zwölf Jahren, ich hab’ ihn tanzen sehen, und ich habe gedacht, der Junge hat was ganz Besonderes. Glaubst du, ich merke das nicht?«
Einen Moment lang ließ seine Loyalität Tommy still sein, dann
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