Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Trapez

Trapez

Titel: Trapez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
Vom Netzwerk:
Johnny.
    »Ich weiß , dass du meinst, was du sagst, Matt, aber versuche es mal einen Moment auf meine Weise zu sehen.
    Träume sind komplex, durcheinander, und diese Zeitlupenverflechtung hinein und heraus, kreuz und quer…«
    Mario schüttelte seinen Kopf. Er war nicht mehr verärgert, sondern sagte mit leidenschaftlicher Ernsthaftigkeit:
    »Jock, du hast unrecht. Ganz ehrlich: Ich verstehe, was du versuchst zu tun, aber du bist völlig im Irrtum. Du sagst, dass Träume komplex sind, das ist es ja gerade, Jock – Träume sind nicht komplex. Sie sind vollkommen einfach, auf das Grundlegendste beschränkt. So wie ein kleines Kind die Dinge sieht. Du willst doch nicht, dass das Publikum staunt und sagt: ›Mein Gott, wie hat er das gemacht?‹ Das ist kaum einen Deut besser als die Leichenfledderer, die hoffen, dass sie jemanden stürzen und sich das Genick brechen sehen. Fliegen soll so aussehen wie einer dieser Flugträume. So einfach, dass die Leute nicht glauben können, dass sie es nicht selbst könnten.
    Das sollte es sein, wenn du über Flugträume sprichst. Nur rein, einfach, perfekt, damit jeder, der zusieht, zu Tränen gerührt wird. Weil sie irgendwo in ihrem Innersten wissen, dass sie einmal Flügel hatten und fliegen konnten und bloß vergessen haben, wie es geht.«
    Seine Stimme zitterte tatsächlich. »Damals, als wir klein waren und Lucia zugesehen haben und – und Barney Parrish. Ich hab’ immer geträumt, ich könnte fliegen.
    Und als ich aufwachte, hab e ich geweint, weil ich verges sen hatte, wie es geht. Das wollen wir, Jock. Die Leute dazu bringen, sich wieder so zu fühlen.«
    Stellas Stimme vibrierte vor Ergriffenheit. »Johnny, ich weiß , was er meint. Er hat recht, Johnny, und wir nicht.«
    »Gott Allmächtiger«, explodierte Johnny. »Du auch?«
    »Johnny, er hat die richtige Idee. Ich hätte es bloß nicht so in Worte fassen können. Wir sollten groß genug sein, um zuzugeben, wenn wir Unrecht haben.«
    Johnny sah verblüfft von seinem Bruder zu seiner Frau.
    »Ich selbst sehe es nicht«, sagte er. »Aber ich habe mich nie so für die große Mystik des Fliegens interessiert. Ich bin bloß ein Akrobat, und für mich ist ein Stunt ein Stunt. Aber ihr beiden seid bessere Flieger als ich.
    Dann bedeutet es euch wirklich so viel?«
    »Das macht das Fliegen überhaupt aus, Johnny«, sagte Mario. »Kannst du das nicht verstehen?«
    »Stel, bist du auf seiner Seite?«
    Sie bi ss sich auf die Lippe. »Johnny, die Frage ist nicht, auf welcher Seite man steht, es ist nur das, was er gesagt hat, was Fliegen ausmacht. Und was wir in der Show versuchen sollten, ist, das den Leuten zu zeigen.«
    »Verdammt«, sagte Johnny und runzelte die Stirn.
    »Wenn euch beiden so viel daran liegt, dann muss ja was dran sein. Verge ss t den verdammten Trick. Mir tut es bloß leid, dass wir so viel Zeit und Mühe darauf verwandt haben. Tom, sieht so aus, als ob dein Trick draußen ist.«
    »Ist schon gut«, sagte Tommy. »Was Mario gesagt hat, hat mir auch eingeleuchtet.«
    Johnnys Mund verzog sich zu einem gequälten Grinsen. »Ich werde mich nicht über Ästhetik streiten.«
    Tommy war überrascht, dass Johnny das Wort überhaupt kannte. »So, wenn wir jetzt vielleicht für einen Augenblick zu den praktischen Dingen zurückkommen können. Wenn wir den Trick rauswerfen, haben wir ein Loch in der Nummer, durch das man einen Trapezwagen fahren könnte. Also, was machen wir stattdessen ? Vielleicht fällt deinem großartigen Sinn für Ästhetik etwas dazu ein, hm?« Aber als er die Spitze des Trapezes erreicht hatte, lachte er wieder, und Tommy dachte, auf diese Art ist er auch wie Papa Tony – Er hat nie etwas lange übelgenommen.
    Aber der kurze, leidenschaftliche Funke, den er in Mario gesehen hatte, war wieder verloschen. Es ist immer noch da, dachte Tommy, tief unten. Aber, Gott, es ist tief vergraben. Es kam immer zum Vorschein, wenn er flog.
    Das tut es immer noch ein bi ss chen, aber es kommt sonst nicht mehr heraus, nicht einmal.. . Beschämt über seinen eigenen Gedanken, führte er ihn trotzdem zu seinem logischen Ende: nicht einmal mehr im Bett.
    Und dann herrschte wieder die Probendisziplin, und er hatte keine Zeit für weitere Gedanken. Als sie fertig waren und in den Umkleideraum gingen, zog Johnny lachend seinen Pullover über den Kopf.
    » Weißt du, Matt, ich glaube, das ist der erste Streit, den wir je hatten, den ich dich habe gewinnen lassen. Es ist nicht fair – du bekommst immer die Mädchen

Weitere Kostenlose Bücher