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Trapez

Trapez

Titel: Trapez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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sein.
    Ich weiß , wie du dich fühlst. Es ist so, wie es immer am ersten Tag der Saison war, als ich ein Kind war. Jedes Jahr am 1. Mai, wenn die Premiere war, wünschte ich mir immer, wieder in der Ballettschule zu sein. Das tue ich immer noch, bloß weiß ich jetzt, dass es nur eins von diesen Dingen ist, die man am ersten Tag der Saison durchstehen mu ss . Wenn man sich fragt, warum man überhaupt hier ist. Ganz ruhig. Hier, nimm du die letzten paar Würstchen.« Er legte sie auf Tommys Teller. »Das wird heute ein langer Tag.«
    Als er aufsah und in Marios lächelnde Augen blickte, wu ss te Tommy plötzlich, dass Mario recht hatte. In ein paar Stunden hatten sie eine Show vor sich. Jetzt war nicht die Zeit, sich zu fragen, ob er auftreten sollte.
    »Ja«, sagte er, nahm seine Kaffeetasse und trank sie hastig aus. »Wir müssen ungefähr sechs Stunden rumbringen. Es hat keinen Sinn, hier herumzuhängen und uns darüber aufzuregen. Gehen wir raus und suchen uns einen guten Film oder so was.«
    Vor der Show bereiteten Fernsehmaskenbildner und Spezialisten jedes Detail von Kostümen und Make-up für die Kameras vor. Als sie auf ihren Einsatz warteten, fühlte Tommy mit Ekel die Wasserschminke auf seinem Gesicht und rümpfte seine Nase wegen des üblen Geruchs des Mittels, das sie in sein Haar gegeben hatten, damit es saß . Sie warteten und sahen auf die Fernsehmonitore hinter den riesigen Mischpulten, die die TV-Mannschaften hereingebracht hatten. Es gab vier Bilder von verschiedenen Kameras: eine auf der Bühne, wo der berühmte Hollywood-Schauspieler, der heute Abend durch die Sendung führen sollte, das Publikum aufwärmte, eine im Publikum selbst, die später auf das Trapez für Aufnahmen in der Totalen gerichtet werden würde, eine andere war ganz in der Nähe der Brücke aufgebaut, und die vierte war auf das leere, schaukelnde Fangtrapez gerichtet. An einem Zentralmonitor mischte ein Techniker konzentriert und ruhig die Bilder für die Sendung auf dem Hauptbildschirm.
    Tommy fragte sich, wozu die komplizierte Ausrüstung diente. Johnny sah zu, als ob er wü ss te, was passierte. Das stimmte wahrscheinlich auch.
    Der Schauspieler erzählte gerade einen Witz, der das Publikum zu Lachstürmen hinri ss . Auf einem der Nebenbildschirme sah Tommy den Schauspieler, einen gutaussehenden, grauhaarigen Mann, der Jim Fortunati leicht ähnelte.
    »Und jetzt bringen wir Sie live zum Winterquartier vom Zirkus Starr in Kalifornien. Und zu Ihrem Gastgeber für heute Abend, Barry Cass.«
    Tommy sah auf de m TV-Monitor hinter Barry Cass’ Kopf die ersten Tricksequenzen, die sie gefilmt hatten, die jetzt in der Fernsehsendung im ganzen Land gezeigt wurden: Ein schaukelndes Trapez, Johnnys Silhouette, kopfüber, verschwommen in der Entfernung, unwirklich und traumhaft, bewegte sich in hypnotischem Rhythmus vor und zurück.
    Unbewu ss t fühlte Tommy, wie sich seine Schultern und Waden anspannten, als ob sie um die gepolsterten Stützen des Fangtrapezes lagen. Im Hintergrund sah er den Flieger, der immer höher schwang, in perfekt übereinstimmendem Rhythmus mit dem Fänger. Er hatte sich nie zuvor selbst fliegen sehen, und ihm wurde erst hinterher klar, dass er sich jetzt selbst sah. Seine ganze Aufmerksamkeit war auf Johnny im Fangtrapez gerichtet. Sein Körper saß bewegungslos vor dem Bildschirm, aber trotzdem spannten sich die entsprechenden Muskeln unbewu ss t an, die be wegungslose Anstrengung innerer Identifikation, als die zwei Körper sich im Schwung perfekt vereinten… Die Welt, in die er gehörte.
    Er fühlte, wie Stellas Hand in seine glitt und sie fest und zärtlich drückte. Direkt über ihr sah er Johnny im Profil, gespannt und unruhig, so verschieden von der pfeilgeraden Perfektion des Fängers auf dem Bildschirm.
    Ich liebe ihn auch, ich habe es nie gemerkt. Manchmal mag ich ihn nicht sehr, aber er ist auch mein Bruder, und ich liebe ihn…
    »Santellis, bitte, Mr. Gardner, dreißig Sekunden.«
    Und Mario war direkt hinter ihm, wo er so viele Jahre gewesen war. Tommy sah ihn nicht an oder berührte ihn nicht, aber er bemerkte sein Atmen, die Wärme seines Körpers. Barry Cass sagte: »Und jetzt präsentiert John Gardner… die Flying Santellis.«
    Das Licht war in seinen Augen. Ein heftig prasselnder Applaus, wie Regen auf einem Wohnwagendach, vor Jahren. Lichter am Fuß des Trapezes, Lichter überall.
    Eine Hauptmanege mit einem Millionenpublikum. Stella war direkt vor ihm auf der Leiter. Tommy war, als ob er

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