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Trapez

Trapez

Titel: Trapez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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für mich warst? Weißt du nicht, dass alles, was in diesen Büchern stand – und noch mehr –, nötig war, bloß um mir zu helfen, ein bi ss chen –ein bi ss chen Selbstachtung zusammenzukratzen für das, was ich war – was ich bin, nicht um mich gut zu fühlen, nicht um mich wohl zu fühlen, bloß um mich dahin zu kriegen, dass ich damit leben konnte?«
    Bart sah ihn nicht an. »Du bist ein Idealist, Matt. Das war ich auch, als ich in deinem Alter war. Bloß , was nützt es uns?«
    »Ich glaube nicht, dass du dich sehr verändert hast«, sagte Mario. »Du hast natürlich recht. Es wäre besser, wenn wir so ehrlich mit diesen Kindern sein könnten, wie wir es – miteinander versucht haben, wenn wir uns nicht darum drücken mü ss ten.«
    Bart lachte und löste die Spannung. »Ja, ich kann es mir gut vorstellen«, sagte er. »Wir bauen das griechische Ideal in allen Schulen und Colleges auf und teilen jedem Jungen einen großen Bruder zu, der sich um ihn kümmert und ihm ehrenhafte Ideale beibringt. Und dann versuchen wir alle zu überzeugen, wie ehrenhaft und idealistisch wir sind.« Aber er lächelte Mario an, und als ob er vergessen hatte, dass Tommy da war, zauste er in seinem Haar, als ob Mario ein kleines Kind wäre. »Wenn mehr von uns sich nach deinen Idealen richten würden, Junge, würde vielleicht die Welt nicht mehr so auf uns Schwule herabschauen.«
    »Aber das ist es ja gerade«, sagte Mario sehr sanft.
    »Woher glaubst du, habe ich diese Ideale zuerst bekommen? Ich hab’ sie von dir.«

KAPITEL 12

Tommy war, als ob er aus verwirrten Träumen erwachte mit dem Wissen, dass er sofort zum Übungsraum hinuntergehen mu ss te, dass etwas Schreckliches passieren würde. Ohne das Licht anzuschalten, ging er aus dem Zimmer heraus, die dunklen Flure des Santelli-Hauses entlang, die Treppe hinunter, durch die Küche und die zweite hölzerne Treppenflucht hinunter in den alten Ballsaal. Es war sonst niemand im Flur oder auf der Treppe, und seine Füße machten kein Geräusch auf dein Fußboden , aber im Übungsraum war Licht. Ein schwaches, grünliches Licht, das von überallher gleichzeitig zu kommen schien, und er sah Johnny auf dem Trapez, wie er kopfüber am Fangtrapez schaukelte. Mario war schon auf der Plattform und hatte die Stange in seinen Händen. Es war zu spät. Alles, was er tun konnte war, auf dem TV-Monitor, der hier am Fuße des Aufbaus stand, zuzuschauen, wie Mario herausschwang, zurück und wieder heraus, immer und immer höher.
    Johnny rief ihm zu: »Du kannst nicht länger warten. Du weißt , dass du den Dreifachen wieder schaffen mu ss t.
    Sonst schaffst du überhaupt nichts mehr!« Und Tommy zuckte zusammen, als er die Verachtung in den Worten hörte.
    Stella hing jetzt neben Mario am Trapez, und Bart, der sie neben Tommy auf dem TV-Monitor betrachtete, sagte: »Es ist ganz offensichtlich, wenn man sie fliegen sieht, dass sie ein Liebespaar sind.« Aber das spielte jetzt keine Rolle, weil Stella auf die Plattform zurückgekehrt war, und Mario am Trapez hinund zurückschwang, ein ruheloser Rhythmus, vor und zurück, der Höhe und Geschwindigkeit gewa nn, und Johnny wartete auf ihn, stellte seinen Schwung darauf ein, und Tommy wu ss te, dass er einen Dreifachen versuchen würde.
    Er versuchte einen Dreifachen.
    Er ist noch nicht so weit…
    Aber alles, was er tun konnte, war, den beiden schaukelnden Figuren zuzusehen, wie er es so oft getan hatte, als sie im Zirkus Woods-Wayland waren, als er ihnen mit quälendem inneren Einfühlungsvermögen zusah, nur ruhten seine Augen diesmal nicht auf Mario, sein Bewu ss tsein schnellte nicht mit Mario heraus. Statt dessen waren seine Augen auf Johnnys Umri ss auf dem Fernsehbildschirm gerichtet, und er beobachtete ihn mit besessener Aufmerksamkeit.
    Zu langsam, ein bi ss chen schneller, dein Takt hinkt ein bi ss chen hinterher … Er fühlte, wie sich seine eigenen Muskeln anspannten, wie sie zuckten und versuchten, durch die innere Konzentration auszugleichen, was falsch war. Johnnys Schwung zu beschleunigen, ihn von innen heraus anzustoßen . Sogar für Johnny zu atmen. Jetzt war Mario vom Trapez weg, wirbelte nach hinten, die erste Drehung, die zweite, jetzt die dritte –o Gott, er wird es verfehlen –die dritte – die dritte. In einer alptraumhaften Zeitlupenbewegung auf dem TV-Monitor drehte er sich rückwärts, rückwärts, richtete sich wieder auf, streckte sich nach oben und unten und zurück, immer tiefer, immer langsamer, kam hart aufs

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