Trapez
sich felsenfest überzeugt hatte, dass der Kummer, den er fühlte, rechtschaffende, moralische Entrüstung war, war dem Ärger, den er machen konnte, kein Ende zu setzen.
Schließlich sagte Tommy: »Warum machen wir es schlimmer, als es ist? Mir ist nicht klar, was Angelo tun kann. Außer uns als Sexverbrecher einsperren zu lassen.
Und ich glaube nicht, dass er das Lucia antun könnte.«
»Wie auch immer«, sagte Mario, »wir werden es wahrscheinlich rausfinden.«
Der schlimmste Moment war für Tommy früh am nächsten Morgen, als er herunterkam, und Angelo beim Frühstück mit Lucia und Tessa vorfand. Lucia wünschte ihm freundlich guten Morgen, und nach einem Moment tat Angelo das auch. Tommy ä rgerte sich über dies mehr, als über alles andere, über die Notwendigkeit, um Lucias willen eine glatte Fassade zu bewahren. Er wunderte sich, warum er es tat – Lucia war nicht seine Mutter, er war ihr das nicht schuldig. Dann erkannte er aber, dass Lucia, seit Papa Tony ihm hier seinen Platz zugewiesen hatte, ihn unverändert willkommen geheißen hatte. Durch seine Bindung an Mario hatte er auch gewisse Familienverantwortungen übernommen. Und dies war eine davon. Er murmelte: »Guten Morgen, Lu, Angelo.« Und ging in die Küche, um seinen Kaffee zu holen.
Stella kam mit Suzy herein. Sie entfaltete die Serviette des kleinen Mädchens, steckte sie in den Kragen ihres Kleidchens und fragte: »Wo wart ihr beide gestern Abend ? Johnny und ich sind bis nach zwei aufgeblieben.
Wir wollten mit euch reden.«
»Wir sind auf einen Drink in die Stadt gefahren«, sagte Tommy. Er strich Butter auf seinen Toast und runzelte die Stirn. Angelo hatte gesagt, dass er es nicht Lucia erzählen würde, aber würde er sich moralisch verpflichtet fühlen, Johnny und Stella zu informieren, und würde das einen Unterschied machen? Aber Stella, die entschieden die Zuckerdose wegstellte, bevor Suzy einen zweiten Löffel davon in ihre Cornflakes schütten konnte, lächelte mit ihrer normalen Freundlichkeit.
»Wir dachten uns schließlich , ihr hättet euch entschlossen, durchzumachen und sind ins Bett gegangen. Aber er muss euch beide dringend heute Morgen vor zehn sprechen. Sag Oma guten Morgen, Suzy.«
»Guten Morgen, Nonna Lulu. Guten Morgen, Onkel Angelo. Guten Morgen, Onkel Tommy. Guten Morgen …«
»Das reicht, Suzy«, sagte Stella bestimmt.
»Aber ich habe Tessa noch nicht guten Morgen gesagt…«
»I ss deine Cornflakes, Suzy – wir haben es gehört.
Lucia? Es gibt einen Produzenten in Texas…«
»Guten Morgen, Babbo«, zwitscherte Suzy, und noch bevor er von seinem Teller aufsehen konnte, sagte Lucias erschreckter Blick Tommy, dass Mario hereingekommen war und dass seine Blutergüsse am Auge und am Wangenknochen die Farben eines Regenbogens angenommen hatten.
»Madre di – Matt, wie ist das passiert?«
»Bin falsch aufs Netz aufgekommen, Lu. Mach dir keine Sorgen darüber.«
»Babbo, hat dich jemand geschlagen? Bist du gegen eine Tür gelaufen? Mami hat gesagt, dass die Leute das immer sagen, wenn sie ein blaues Auge haben. Aber sie hat auch gesagt, dass es eigentlich bedeutet, dass sie gegen eine Faust gelaufen sind. Wie kann jemand gegen eine Faust laufen? Eine Faust ist hier unten und nicht da oben, wo dein Auge ist.«
»Wenn man sagt, man ist gegen eine Faust gelaufen, Suzy, bedeutet es, dass dich jemand geschlagen hat, aber nein, niemand hat mich geschlagen. Ich bin falsch ins Netz gefallen und habe mein Gesicht an meinem eigenen Knie aufgeschlagen.«
»Das war verdammt dämlich«, zwitscherte Suzy und lenkte sofort Lucias Schreck über das Gesicht ihres Sohnes auf die Sprache ihrer Enkelin.
»Susan Elissa Gardner! Jetzt seht ihr was passiert, wenn ihr Männer nicht auf eure Sprache achtet. Wage es nicht, darüber zu lachen, Tessa. Wenn sie denkt, dass du es niedlich findest…«
»Na ja, Mami sagt es auch«, stritt Suzy, »sie hat es gesagt, als Babbo…«
»Ist gut, Suzy«, sagte Stella.
Angelo bemerkte: »Wenn sie nichts Schlimmeres als das sagt, Lucia, können wir alle froh sein. Tessa, hol jetzt besser deine Büchertasche und deine Schulmütze. Vielleicht mu ss t du heute den Bus zurück nehmen – im Studio könnte es spät werden.«
»Ich lasse sie nicht gern mit dem Bus fahren«, nörgelte Lucia. »Man kann nie wissen, was passiert. Kann Stella sie nicht abholen oder Matt? Das Viertel da ist nicht mehr das, was es war, als Liss dort zur Schule gegangen ist.«
»Ich hol’ sie ab«, sagte
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