Trapez
vorbei und am Kinderzimmer. Du musst dir das Badezimmer mit den Kindern teilen, glaube ich, unten ist noch eins, unter der Treppe. Joe und Nonna und Papa Tony sind alle drüben im anderen Flügel und Angelo da drüben.« Er zeigte hin. »Es gibt noch ein paar Zimmer im zweiten Stock, aber wir haben die ganze Etage vor Jahren abgesperrt. Kostet genug, die alte Scheune so zu heizen wie sie ist. Und da im hinteren Teil des Hauses ist der alte Tanzsaal. Er geht über alle drei Stockwerke und ist kaum grö ss er als das Hollywood-Bowl-Freilicht-Theater …«
Er ging in das Zimmer. »Lu hat deinen Koffer schon hochgebracht.« Er schüttelte verärgert den Kopf. »Sie sollte eins der Kinder bitten, das zu tun. Ihr Rücken ist nicht allzu stark.«
Das Schlafzimmer war dunkel und eng mit altmodischen, gestreiften Tapeten, und die gesamten Möbel waren dunkel und riesengroß . Das Zimmer sah vollgestopft aus, ein Großes Bett, ein größerer Schreibtisch und ein Stuhl. »Du wirst wahrscheinlich ein paar von meinen Sachen im Schrank und den Schreibtischschubladen fin den«, sagte Mario. »Du wirst es sogar ertragen müssen, dass ich hier ab und zu einziehe, für eine Nacht oder so, wenn die Proben hektisch werden, weil dieses Jahr immer zwei in einem Zimmer schlafen.« Er ging zum Fenster und zog die Vorhänge zurück. »Ich bin froh, dass du hier bist, Tommy. Unten konnte ich dir’s noch nicht sagen.«
»Ich bin froh, hier zu sein.«
»Ich hab’ dir doch von Onkel Joe erzählt, nicht?«
Mario kam zurück und setzte sich an den Fuß des Bettes.
»Als ich ein Kind war«, fing er an, »waren Joe und Lucia die Stars der Nummer, wir waren damals bei ›Starr, The Big Show‹, Hauptmanege. Dann, das war so ungefähr vor neun Jahren, gab es einen schlimmen Unfall.«
»Mein Vater sagte etwas davon, nur wollte meine Mutter nicht vor mir darüber reden«, sagte Tommy. »Was ist passiert, Mario?«
Mario verschränkte seine Hände hinter dem Kopf. »Es war ziemlich scheußlich «, sagte er ruhig. »Mark, das ist mein anderer Bruder, du hast ihn noch nicht kennengelernt; Mark war das einzige von uns Kindern, das es gesehen hat. Er wachte noch Monate später auf und schrie wie verrückt. Ich hab’ immer Gott dafür gedankt, dass ich es nicht gesehen habe. Deshalb konnte Mark nie fliegen, er konnte nie aufs Trapez gehen. Jedes Mal , wenn er es versuchte, und er hat es wirklich versucht, egal, was man dir auch erzählen wird, er wurde einfach langsam grün und ließ sich fallen.«
»Wie ist es passiert?«
» Weiß der Himmel. Liss und ich waren in derselben Show kurz vorher auf dem Trapez. Liss war fünfzehn und sie hatten gerade angefangen, sie ab und zu in der Nummer arbeiten zu lassen, nur an dem Tag arbeitete sie nicht; zum Glück nicht. Joe trainierte Liss oben auf dem Brett, und dann kam Lu cia heraus, um zu arbeiten. Sie schickte mich und Liss weg, ein Bad zu nehmen, aber Mark blieb, um bei der Show zuzusehen, und sah die ganze Sache. Eine Halterung der Fliegerstange zerbrach, und Lucia und Joe stießen zusammen. Joe versuchte, den Fall meiner Mutter zu bremsen. Er schlang sich um sie herum und schlug mit seinem Kopf gegen eins der Spannseile. Es ist ein Wunder, dass sie damals nicht beide getötet worden sind. Aber man weiß ja nie bei so einem Unfall. Barney Parrish ist mal auf ein Spannseil gefallen und dann auf den Boden aufgeschlagen. Er war nicht einmal verletzt. Er hatte sich bloß den Daumen verstaucht. Jedenfalls brach sich Lucia beide Schulterblätter und ihr Schlüsselbein. Und man glaubte, sie hätte sich auch ihr Rückgrat gebrochen. Sie mu ss te ein paar Jahre lang immer wieder ins Krankenhaus, hatte alle möglichen Operationen. Sie hat sich wieder erstaunlich erholt, versuchte sogar, wieder zu fliegen, aber die eine Schulter war eben etwas zu stark geschädigt.
»Aber Joe – jeder dachte, dass er vollkommen in Ordnung wäre. Er war nicht mal bewu ss tlos. Die ganze Zeit wurde viel Wirbel um Lu gemacht; ein Krankenwagen brachte sie ins Krankenhaus. Sie dachten, dass ihr Rückgrat zerschmettert wäre und dass sie nicht mal die Nacht überleben würde. Jeder dachte, dass es Joe ganz gut ginge, er machte in der Abendvorstellung weiter, aber als er das Seil hochkletterte, fiel er runter, sagte, er könne nichts sehen. Er brach sich den Arm, als er vom Seil fiel. Aber die eigentliche Verletzung passierte während des Falls meiner Mutter. Er war drei Wochen lang blind. Irgendwo in seinem Kopf hatte es einen Nerv
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