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Trapez

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Titel: Trapez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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zerzaustes Haar.
    »Unter einem Dach mit seiner Mutter?« fragte sie mit einem kleinen Anflug von Ironie. »Das hätte Lucia nicht gern. Sie hatte da ein hübsches, kleines Gespräch mit mir.«
    »Du magst Lucia nicht, nicht wahr, Stel?«
    »Sie ist sehr nett zu mir«, sagte Stella und strich nervös über den Rand ihres Mantels. »Sie hat mir viel beigebracht und ich lebe unter ihrem Dach als ihr Gast. Ich nehme an, sie hat nicht erwartet, dass ich irgendeine Ahnung habe, wie man sich – nun, an einem anständigen Ort benimmt. Na ja, ich glaub’, sie wu ss te, dass wir auch Jahrmarktsleute waren. Und eigentlich war sie so nett, wie es nur irgendwie geht – das waren sie alle. Lucia hat mir zwei Kleider genäht, als sie meine Kostüme für die Nummer machte. Und sie hat einen von Liss’ Mänteln für mich geändert. Ich glaub ’, meiner war schrecklich schä big. Sie hat mir mal gesagt, dass sie hofft, dass Johnny mich heiraten würde. Ich weiß nicht, warum. Ich bin sicher nicht der Typ Mädchen, den sie als Schwiegertochter aussuchen würde. Ich bin nicht – ach, nicht anständig und nett. Ich weiß nicht, wie man sich ausdrückt.
    Ich vergesse mich manchmal und benutze schmutzige Wörter … Ich bin nun mal nicht wie die anderen.«
    Sie schluckte und war still.
    »Weil sie weiß , dass du ein Flieger wirst, Stel. Ein guter. Ein wirklich guter, wie Mario. Nicht so einer wie Johnny.«
    »Johnny ist nicht …«, brauste sie auf, wurde dann aber ruhig und stand auf.
    »Tom, ich möchte mich fertig anziehen, ja? Dann gehen wir runter und machen uns Abendessen, okay?«
    Tommy streckte eine Hand aus, versuchte die Intimität von vorhin wiederherzustellen, aber die Stimmung und der Moment waren verflogen. Die eigenartige, tief einschneidende Melancholie, die Tommy für einen Moment ergriffen hatte, löste sich auf, als Stella ihm sanft aus den Armen entglitt. Kichernd und albern, wie sie noch vor ein paar Minuten gewesen war. Er konnte immer noch die Wärme ihres Körpers fühlen, aber sie war jetzt am an de ren Ende des Zimmers. Stella wartete nicht einmal ab, bis er ging, sie schlüpfte rasch aus ihrem Bademantel, nackt und dünn und unschuldig, in zerschlissenem Baumwollhöschen, und zog ihr Kleid über ihren Kopf. Das zerstörte die Stimmung irgendwie gewaltsamer, als wenn sie ihn mit Schreien verletzter Sittsamkeit aus dem Zimmer gejagt hätte.
    Du Trottel, beschimpfte er sich. Warum hast du ihr die dumme Frage über Johnny gestellt? Das war der Grund.
    Mit einem freundlichen, unschuldigen Lächeln streckte Stella ihre Hände aus und zog ihn vom Bett hoch. Sie aßen in der Küche. Es war sehr spät, als sie schließlich das Geschirr abräumten. Das große Wohnzimmer war ohne Feuer zu düster, um darin zu sitzen, also saßen sie ein paar Minuten auf der Treppe, bevor Stella ihre Hand vor die Augen hielt.
    »Tommy, ich bin müde. Macht es dir etwas aus, wenn ich einfach gute Nacht sage und raufgehe?«
    »Ich glaub’, das mache ich auch. Wer weiß , vielleicht kommen sie erst um drei oder vier Uhr morgens zurück, oder sie bleiben die ganze Nacht bei ihren Leuten da oben.«
    Auf dem Treppenabsatz nahm er unvermittelt ihren schmalen Arm und zog sie widerstandslos zu sich heran.
    »Stel«, flüsterte er. Sein ganzer Körper zitterte vor Erregung, und er kämpfte mit der Neugier: Wie würde es wohl sein? Er umarmte sie, aber sie wandte sich sanft ab, schüchtern und spröde wie zuvor. »Tommy, nicht. Nicht, bitte!«
    Er drückte sie an die Wand, hielt sie dort fest, gleichzeitig ein wenig besorgt, ihr wehzutun. Ihre Knochen waren so zerbrechlich und so nah an der Oberfläche ihrer Haut. Er wollte nicht reden, gleichwohl sagte er: »Stel, la ss mich einen Moment reinkommen.«
    Sie schüttelte stumm ihren Kopf.
    »Warum nicht, Kleines? Warum nicht?«
    Sie berührte sanft seine Wange. »Es wäre nicht schön, hier in ihrem Haus. Und nehmen wir an, sie kommen ganz plötzlich zurück und überhaupt – oh, verdammt«, sagte sie. Sie stand auf Zehenspitzen und streifte seine Lippen sanft mit den ihren. »Sei ein braver Junge, Tommy, und denk drüber nach.«
    Sie wandte sich flink ab, machte sich los und ging in ihr Zimmer. Die Tür schlo ss sich, fest und endgültig.
    Tommy ging in sein Zimmer, er war plötzlich sehr müde. Er zog sich aus und schlüpfte zwischen die kalten Laken. Er konnte das Bild von Stella in ihrem Bett, allein am Ende des Flures, nicht vertreiben. In seiner Erinnerung ertastete er noch einmal ihr

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