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Trapez

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Titel: Trapez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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gesehen, wie du den Dreifachen hundertmal verfehlt hast, aber du hast nie das Netz verfehlt. Du kommst nie im Schrägnetz runter und du verletzt dich nie. Wie machst du das?«
    »Ich verrate dir ein Geheimnis«, sagte Mario und verzog seine lebhafte Mi mik zu einem Grinsen. »Ich hab’ einen Pakt mit dem Teufel. Ich hab’ meine Seele verkauft, und er hat gesagt…«
    »Hey, so was sagt man nicht«, protestierte Angelo, offensichtlich verärgert. »Das mag ich nicht. Lu würde es auch nicht mögen und Papa …«
    »Nein, im Ernst, Mario«, sagte Tommy und Marios Grinsen wich.
    »Gut«, sagte er. »Im Ernst. Ich hab’ vor langem beschlossen, als ich mich zum ersten Mal mit dem Dreifachen auseinandersetzte – sogar bevor ich angefangen hatte, aktiv daran zu arbeiten –, dass ich es so lernen möchte wie Barney Parrish, ohne Sicherheitsseil. Ich dachte, je öfter ich falle, umso mehr lerne ich darüber, wie man fällt, ohne sich zu sehr zu verletzen. Angelo und ich haben uns viel darüber gestritten.«
    »Ich dachte, er war verrückt«, sagte Angelo, »aber es klappte.«
    Mario nickte. »Ich muss wohl ein paar tausendmal gefallen sein. Ich glaube, ich könnte jetzt fast ohne Netz fallen und lebend aufstehen.« Er schlug an den Türrahmen und murmelte: »Toi, toi, toi, aber ich werd’s nicht versuchen.«
    Angelo knöpfte die Manschette von Marios langärmligem Hemd auf. Er rollte den Ärmel zurück und berührte die rote, immer noch leicht verschorfte Stelle der Abschürfung an Marios Ellenbogen. »Aber du hast immer ein paar davon. Irgendwann bekommst du eine schlimme Infektion und du kriegst echte Schwierigkeiten. Außerdem muss es höllisch weh tun.«
    Mario zuckte die Achseln und rollte den Ärmel runter.
    »Quatsch, Quatsch, Quatsch. Du bist schlimmer als Lucia! Ich merk’s gar nicht mehr. Was hat Cleo immer zu uns gesagt, als wir Kinder waren, man muss bereit sein, sich das Genick zu brechen?«
    »Es war nicht Cleo«, sagte Angelo. »Es war Barney Parrish. Er hat immer gesagt, dass jeder, der fliegen will, auch bereit sein mu ss , sich das Genick zu brechen.«
    »Na ja, ich bin’s nicht«, sagte Mario. »Ich hab’ dieses scheußlich engstirnige Vorurteil übers Genickbrechen.
    Man könnte sogar sagen, ich sei starrsinnig. Da hab ich gedacht, ich stell’ mich besser verdammt gut – entschuldige, Barb – gut mit dem Netz. Dazu ist das… verfluchte Ding doch da. Es hat sich auch gelohnt. Frag Tommy. Ich hab ihm das Fliegen ohne Sicherheitsleine beigebracht –er hatte nie eine um –, und er ist nicht halb so viel gefallen wie die meisten Anfänger.«
    »Aber wie fällst du, ohne dich zu verletzen?« beharrte Tommy.
    Mario hob die Schultern. »Genau wie du oder jeder andere. Instinkt, glaube ich. Wenn ich für die dritte Drehung hochkomme, sagt die innere Uhr ja oder nein. Und wenn sie nein sagt, greife ich überhaupt nicht nach Angelos Händen und bin dann schon zusammengerollt, um ins Netz zu fallen.«
    »Kein schlechter Instinkt«, sagte Angelo. »Du könntest ein guter Stuntman sein. Im Winter mache ich viel Stunt-Arbeit unten bei World-Films. Ich könnte dir so viele Stunts beschaffen, wie du haben willst. Ich weiß , du hast gesagt, du magst es nicht, aber was soll’s? Du kannst Geld verdienen. Und es ist viel mehr ein Männerjob, als dieser weibische Kram, den du an der Ballettschule machst!«
    Tommy sah in der plötzlichen Anspannung von Marios Schultern, dass er verärgert war. Aber der verzog sein Gesicht zu einem Grinsen und sagte: »Nein. Nichts für mich. Wie ich schon sagte, ich hab’ dieses hä ss lich engstirnige Vorurteil übers Genickbrechen. Das heißt , über all außerhalb der Manege. Hör auf Angelo, wir haben eine Generalprobe vor uns.«
     
    Tommy lag in der Nacht lange wach. Bilder von ihrer Generalprobe rasten noch durch seinen Kopf. Mario, der hinter ihm auf die Brücke trat, lässig und angespannt zugleich. Sein eigener erster Sprung und die plötzliche Erkenntnis im Bruchteil der Sekunde, bevor er die Stange losließ , dass dies ein kritischeres und strengeres Publikum war, als jedes, dem er unterwegs begegnen würde.
    Mario, angespannt, signalisierte Angelo einen Dreifachen, und der Raum wurde ruhig, ruhig, ruhig, so ruhig, dass sie alle das Knarren der Seile hören konnten, während er immer höher schwang, losschnellte und sich drehte, noch mal und noch mal und noch mal, ausbrach, sich drehte und hart fiel. Lucias Schrei, mittendrin abgeschnitten , klang nach echter

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