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Trapez

Trapez

Titel: Trapez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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ländliche Gebiete gewöhnt, mit zwei bis drei Kilometern zwischen den Häusern oder zwanzig bis dreißig Kilometern zwischen Städten. Aber hier draußen schienen hundert oder mehr Kilometer zwischen den Häusern zu liegen. Und dazwischen gab es ke in Zeichen menschlicher Besied lung. Nichts, außer dem geteerten Stra ß enband , das anzeigte, dass dies keine fremde Welt aus einer Jules-Verne-Geschichte war, völlig ohne Leben. Sie ließen die kleine Stadt bei Sonnenuntergang hinter sich, und bevor er das nächste einsame Bauernhaus sah, war es stockdunkel, so dass die Lichter unwirklich und entfernt über das karge, flache Land schienen. Er saß gegen den Fensterrahmen gelehnt, das kalte Metall an seiner heißen Stirn, seine Augen auf der Suche nach etwas jenseits der einsamen Reichweite der Scheinwerfer. Das Land machte ihm Angst, und er war dankbar, wenn ein Wildkaninchen aus dem Dunkel hervorscho ss , schnell durch den Scheinwer ferstrahl rannte und sich wieder in der Dunkelheit verlor.
    Der Mond stand niedrig am Horizont, eine blasse, schwach grünliche Sichel. Bei jeder Kurve verschwand die Sichel hinter einem der entfernten, niedrigen Berge und tauchte tiefer stehend wieder auf. Schließlich verschwand sie und kam nicht zurück. Der Himmel sah schmutzig und schwarz aus. Ein paar Sterne blinkten wie verbla ss te Pailletten auf einem ausrangierten Kostüm.
    Er hörte Mario unruhig seufzen und seine Füße in der Dunkelheit bewegen. Dann bückte Mario sich, um aus seinen geflochtenen mexikanischen Sandalen herauszuschlüpfen. Er hatte sein Hemd bis zur Hüfte aufgeknöpft.
    Angelo zündete ein Streichholz an. In dem kurzen Flackern konnte Tommy Papa Tonys Kopf sehen, zur Seite geneigt, mit offenem Mund, leise schnarchend.
    Angelo pfiff eine kleine Melodie, gerade hörbar über dem Motorenlärm. Mario rutschte halb liegend in den Sitz und kreuzte seine Beine, gähnte, verlagerte wieder sein Gewicht.
    »Hast du genug Platz?« murmelte Tommy. »Bin ich dir im Weg?«
    »Nein«, flüsterte Mario, »aber wenn du reden willst, rutsch rüber, damit wir Papa Tony nicht wecken.«
    Tommy rutschte auf der Sitzbank näher zu ihm. »Ich wollte dich gerade fragen, ob du schläfst«, flüsterte er.
    »Nein, noch nicht. Müde?«
    »Bi ss chen!«
    Durch das Hinaussehen in die endlose, einsame Dunkelheit fühlte sich Tommy seltsam unwohl. Er hatte noch nie das Wort Agoraphobie gehört, aber er litt leicht an einer unangenehmen Angst vor dem freien Raum da draußen . Und er fühlte sich besser, wenn er nahe genug an Mario heranrückte, um ihn auf dem Rücksitz zu berühren.
    »Na ja, es wäre sowieso gut, wenn du ein bi ss chen schläfst. Hier, lehn dich gegen meine Schulter, wenn du willst. Lehn dich zurück und ruh dich aus, Kleiner!«
    Auf dem Vordersitz verlosch Angelos Zigarette. Er pfiff immer noch gedankenverloren die endlose, kleine Melodie. Papa Tony schnarchte. Die Lichter verschluckten weiterhin die endlosen Entfernungen vor dem Auto.
    Tommy erinnerte sich an die Nacht, als Mario ihn vom Strand nach Hause gefahren hatte. Das war die gleiche, ruhige, wiegende Nähe. Er schloss seine Augen und bemühte sich bewusst um die gleiche, schläfrige Ruhe. Er lehnte sich ein wenig gegen Mario und fühlte, wie die Schläfrigkeit nachließ , statt zuzunehmen. Mario legte einen Arm um ihn, und Tommy, immer noch widerstandslose Schläfrigkeit vortäuschend, ließ seinen Kopf in die Schultermulde des Mannes fallen. Du Blödmann, sagte er zu sich. Du Großes Baby, du! Du könntest ebensogut auf seinem Scho ss sitzen, als wenn du vier Jahre alt wärst. Es erinnerte ihn daran, wie er auf Schößen gesessen hatte, als er klei n war. Frauen hatten immer nach Gesichtspuder und süßem Parfüm gerochen; er hatte schon immer lieber auf männlichen Knien gesessen.
    Er ließ die vorgetäuschte Schläfrigkeit sich mit einer Art Halbschlaf vermischen. Mario hatte ihn nie zuvor berührt. Er zwinkerte in die Dunkelheit, überrascht von seinen eigenen Gedanken. Beim Arbeiten berührten er und Mario einander regelmäßig auf dem Trapez, ergriffen Hände und Handgelenke, waren auf die eine oder andere Weise fast immer in ständigem Körperkontakt. Sie balgten, rangen, drängten und schubsten sich immer gegenseitig. Aber er fühlte plötzlich, dass dies wirklich das erste Mal war, dass sie sich berührten.
    Nein, das zweite Mal .
    Das erste Mal war in der Nacht, als Mario aus Santa Barbara zurückkam. Natürlich auch die Nacht, als sie vom Strand

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