Trattoria Finale
gemacht. Nach den ersten Minuten ihres persönlichen Kennenlernens hatte Rachel bereits eine ziemlich klare Vorstellung, woran dies liegen mochte. Aber da sie nicht nur schön und gebildet, sondern auch clever war, behielt sie das für sich. Sie wusste, dass die nächsten Tage schwierig werden würden, vermutlich auch gefährlich, und dass sie sich auf niemanden verlassen konnte. Am allerwenigsten auf einen alternden Machobullen wie Kaiman, wie sie bei einem prüfenden Seitenblick auf den deutschen Kollegen dachte.
Während Dimitrij Dobrovolsky den Wagen wegfuhr, folgten sie Mario Violenza zum Haus, an dessen feudalem Eingangsportal eine alte Dame auf sie wartete. »Herzlich willkommen in Bad Godesberg«, sagte die Frau. »Mein Name ist Ornella Pellegrino, ich freue mich, dass Sie der Einladung gefolgt sind.«
Rachel kannte diese Frau, die in gewissen Kreisen Basilica genannt wurde, aus den Dossiers. Und ihr war auf Anhieb klar, warum die Italienerin diesen Beinamen trug. Es war kaum zu glauben, dass die Pellegrino neunzig Jahre alt war. Gesicht und Körperhaltung strahlten eine Art von Stolz aus, die an Arroganz grenzte. Sie trug Kleidung und Haare wie eine attraktive Frau in den besten Jahren, und es wirkte nicht im Mindesten unpassend. Ihre Haare waren von einem interessanten Grau, das durch eine wilde Mischung aus weißen und schwarzen Strähnen entstand. Rachels erfahrenem Blick erschloss sich sofort, dass diese Haare nicht gefärbt waren. Kai fielen eher die prallen Brüste und der rundliche Po auf. Nur das Wissen darum, dass die Sizilianerin in den 1930er-Jahren mit Ettore Violenza die Schulbank geteilt hatte, hielt ihn davon ab, sexuelle Fantasien zu entwickeln. Nein, eigentlich nicht einmal das, er gestattete sich nur nicht, diese reflexartig aufkeimenden Ideen weiter zu vertiefen.
Sie folgten der einladenden Geste Basilicas und traten ins Foyer der Villa. Dort kamen ihnen Ettore Violenza und Jacques Assaraf entgegen. Beide elegant gekleidet wie immer, beide weißhaarig, beide lächelnd. Jacques ergriff zuerst die Hand Rachels, einen Kuss andeutend, und dann das Wort: »Seien Sie herzlich gegrüßt, meine sehr verehrten Jäger und Vertreter der international engagierten Exekutive. Es freut mich ganz besonders, Sie, liebe Miss Fischer, in unserem bescheidenen Domizil begrüßen und endlich auch kennenlernen zu dürfen.« Und mit einem unergründlichen Lächeln sah er dann Kai an, gab auch ihm die Hand und meinte: »Mit Signore Kaiman hatten wir ja schon das eine oder andere Mal zu tun. Und es war immer kurzweilig. Möge diese Tradition hier und heute ihre Fortsetzung finden.«
»Wohl gesprochen, mein Guter«, sagte Ettore Violenza und reichte ebenfalls beiden Gästen die Hand. »Bevor die liebe Ornella, die Seele des Hauses, Ihnen Ihre Zimmer zeigt, müssen wir noch eine lästige, aber leider unvermeidliche Kleinigkeit hinter uns bringen. Es wird unumgänglich sein, Sie und Ihr Gepäck einer Visitation zu unterziehen. Verstehen Sie mich nicht falsch, Sie dürfen natürlich alles einschließlich Ihrer Waffen behalten, das ist Ehrensache. Lediglich all jene Geräte, mit denen Sie Kontakt zur nicht eingeladenen Außenwelt aufnehmen könnten, müssen wir während Ihres wertgeschätzten Aufenthaltes im Haustresor verwahren. Ich gehe ja nicht davon aus, dass Sie hier verkabelt eingetreten sind, aber auch an sich harmlose Mobiltelefone, Laptops oder sonstige – wie sagt man im Flieger immer gerne? – electronic devices würden das lockere Miteinander doch allzu sehr erschweren. Das ist sicher verständlich, oder? Ansonsten müssten wir alle ständig aufpassen, was wir sagen. Und wir wollen uns doch entspannen.«
»Hab fast vergessen, wie geschmeidig Sie reden können«, grinste Kai, griff in seine Tasche und hielt Ettore sein Handy hin.
»Nicht doch«, winkte dieser ab. »Würden Sie meinem Lieblingsneffen Mario in das Garderobenzimmer folgen? Er wird Sie untersuchen und alle Geräte entgegennehmen. Miss Fischer lässt sich bitte von der lieben Ornella begleiten.«
Rachel und Kai folgten dieser freundlichen Anweisung. Während die CIA-Agentin alle notwendigen Untersuchungen durch die kundigen Hände der Pellegrino über sich ergehen ließ, gestaltete sich die Prozedur im Nebenzimmer etwas holpriger …
3. Kapitel
Es hatte eine sommerlich heitere Atmosphäre im Salon der Villa geherrscht. Die breiten Flügeltüren, die einen wundervollen Blick in den weitläufigen Garten hinaus gestatteten, waren geöffnet
Weitere Kostenlose Bücher