Trau dich endlich!: Roman (German Edition)
ein niederträchtiges Weibsstück. Was man ihr allerdings nicht ansieht, wenn man sie auf der Straße trifft. Im Gegenteil. Sie tut immer so honigsüß, als könnte sie kein Wässerchen trüben, aber in Wahrheit …« Er stieß einen kurzen Pfiff aus, so dass Sharon herumfuhr und sich verwirrt umsah.
»Was war das?«
Gabrielle lachte. »Kehr zurück in deine Traumwelt. Ich brauche hier noch ein paar Minuten.«
Sharon schielte zur Tür. »Wie soll ich den Kerl denn überhaupt erkennen?«, fragte sie.
Gabrielle tätschelte ihr die Hand. Sie hatten das alles bereits den ganzen Nachmittag lang durchgekaut, waren aber zu keinem Schluss gekommen. Also würden sie sich einfach überraschen lassen müssen.
Gabrielle wandte ihre Aufmerksamkeit wieder George zu. »Ich habe Mary neulich persönlich kennengelernt. Sie hat sich meinen Vortrag in der Gemeindebücherei angehört. «
»Und, was hatten Sie für einen Eindruck von ihr?«
»Sie war äußerst höflich und zuvorkommend. Sie hatte sogar ein Buch dabei, das ich für sie signieren sollte. Sie hat nicht den Eindruck erweckt, als würde es sie stören, dass ich über ein Thema referiere, das ihre Familie so direkt betrifft. «
»Typisch Mary. Aber man kann ihr nicht über den Weg trauen. Sehen Sie sich vor.«
»Dad, würdest du bitte aufhören, unseren Gästen solche Ammenmärchen aufzutischen«, mischte sich Seth ein, der sich soeben wieder zu ihnen gesellt hatte.
»Von wegen Ammenmärchen. Ich spreche von Tatsachen, und das weißt du auch«, sagte George mit einer wegwerfenden Handbewegung.
Obwohl er sich die Worte seines Sohnes nicht weiter zu Herzen zu nehmen schien, sagte Gabrielle: »Also, wenn Seth nicht will, dass wir über Mary reden …«
»Zwischen dem, was ich will, und dem, was mein Vater will, lagen schon immer Welten«, meinte Seth.
George lachte. »Widme dich lieber wieder den Getränkewünschen der anderen Gäste, Sohnemann … Also, wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, Mary Perkins. Ihr Auftreten lässt sich nur mit einem Wort beschreiben …«, fuhr er mit gesenkter Stimme fort. »Despotisch.« Er schüttelte den Kopf. »Ihre Arroganz und ihre Herrschsucht kennen keine Grenzen.«
Gabrielle nippte an ihrem Drink und lauschte aufmerksam. Dieser George war als Informationsquelle ja wirklich nicht mit Gold aufzuwiegen.
»Zum Beispiel geht sie ganz automatisch davon aus, dass wir ihr das Hinterzimmer für ihre wöchentlichen Mitarbeiterversammlungen zur Verfügung stellen – um unsere Loyalität zu demonstrieren, wie sie es ausdrückt. Sie behauptet, es wäre gut für die Arbeitsmoral, wenn sie ihre Leute zum Essen einlädt. Von wegen.« Er schüttelte den Kopf. »Es geht ihr bloß darum, ihre Angestellten zu belauschen, wenn sie sich beim Essen unterhalten. Wie dem auch sei, Mary Perkins marschiert hier jedes Mal zur Tür herein, als würde ihr das Wave gehören, und dann fragt sie zuckersüß, ob im Hinterzimmer denn schon alles für ihr Meeting bereitstehe!« Er ließ die flache Hand auf den Holztresen sausen. »Als wären mein Sohn und ich auf Kundschaft wie sie angewiesen!«
Gabrielle beugte sich über die Bar, den Ellbogen aufgestützt. »Und, wie reagieren Sie?«
»Ich nenne ihr den Mietpreis für den Raum und die übrigen Kosten, und dann muss ich mir von ihr anhören, dass sich meine Habgier bestimmt irgendwann rächen wird. Aber auf dem Ohr bin ich taub. Dies ist mein Grund und Boden. War es schon immer. Sie kann weder mir noch meiner Familie etwas anhaben. Ich fürchte mich nicht vor ihr. Leider kann man das nicht von allen behaupten.« Er schielte zu Seth, der mit einem Gast ein paar Barhocker weiter plauderte, dann murmelte er: »Seth hat sich von ihr einschüchtern lassen, und seither stellt er ihr den Raum doch glatt Woche für Woche kostenlos zur Verfügung!« Er machte ein verdrießliches Gesicht.
Interessant, dachte Gabrielle. »Hat Ihnen Seth je den Grund dafür genannt?«, fragte sie leise.
George nickte. »Er meint, es zahlt sich aus, wenn man wichtigen Leuten einen Gefallen tut. Alles Quatsch. Er macht sich doch bloß in die Hosen, genau wie alle anderen. Wenn jemand in einem Haus zur Miete wohnt, statt es zu kaufen, dann gehört die Immobilie garantiert Mary Perkins’ Familie. Die Millers zum Beispiel mussten voriges Jahr ihre Apotheke schließen, und keinen Monat später hat eine große Kette in Stewart eine neue Filiale
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