Trau dich endlich!: Roman (German Edition)
ihr sagte, welch großen Nutzen sie ihm oder seinem Wahlkampf brachte. Sie wollte ihn nicht enttäuschen, und auf keinen Fall wollte sie seine politische Karriere ruinieren.
»Warum denn nicht? Doch nicht etwa nur wegen seiner Kampagne, oder?«, bohrte Gabrielle nach. »Komm schon, mir kannst du es doch sagen.« Sie ergriff Sharons Hand. Die Wärme der Berührung wirkte tröstlich. Sharon holte tief Luft. »Richard liebt mich und akzeptiert mich als Mensch. Er weiß, was Tony mir angetan hat …«
»Aber?«
»Aber er ist … stockkonservativ, wenn du weißt, was ich meine.«
Gabrielle hob eine Augenbraue. »Im sexuellen Sinne?«
»Es ist schwierig zu erklären. Er ist ein wirklich anständiger Mann, liebenswürdig und zärtlich.« Sharon hatte unvermittelt einen Kloß im Hals, als sie über den Mann sprach, den sie bald heiraten würde.
Nach der Sache mit Tony hatte sie sich so dumm und so schmutzig gefühlt. Eine Therapie und der bedingungslose Rückhalt ihrer Familie hatten ihr nach und nach wieder ihr Selbstvertrauen zurückgegeben, aber einen großen Teil des Heilungsprozesses verdankte sie der Beziehung mit Richard. Er hatte sie stets mit Samthandschuhen angefasst. Er war entschlossen, sie bis in alle Ewigkeit zu lieben und zu beschützen. Sie hatte unsägliche Angst, ihn zu verlieren und das gemeinsame Leben, das bereits in greifbarer Nähe war, zu zerstören.
»Das sind doch alles positive Eigenschaften. Ich habe euch zwei beobachtet. Richard betet dich an. Er weiß doch von den Fotos; er wird dir deswegen sicher keine Vorwürfe machen.« Gabrielle drückte Sharons Hand.
»Es ist eine Sache für ihn, zu wissen, dass mich ein Mann, dem ich vertraut habe, schamlos ausgenützt hat«, murmelte sie. »Aber den Beweis mit eigenen Augen zu sehen, das ist etwas ganz anderes. Vor allem für jemanden, der so verklemmt ist wie Richard. Ich fürchte, er wird mich nie wieder mit denselben Augen sehen.« Sharon versagte die Stimme, und obwohl sie sich größte Mühe gab, es zu verhindern, rollte ihr eine Träne über die Wange. Sie wischte sie mit dem Handrücken weg.
»Um dein Vertrauen in Richard ist es aber nicht gerade gut bestellt. Wenn ein Mann dich so sehr liebt wie er, dann würde er deinetwegen einfach alles auf sich nehmen.«
Sharon schüttelte mit einem kläglichen Lachen den Kopf. »Du bist eine wahre Freundin.« Dann holte sie zitternd Luft. »Also gut. Wenn wir den heutigen Abend erst hinter uns gebracht haben, dann erzähle ich es ihm vielleicht, ja?«
Gabrielle nickte knapp. »Okay.«
»Hallo, ihr zwei Hübschen«, sagte Derek, der plötzlich wie aus dem Nichts neben ihnen aufgetaucht war.
Sharon war so ins Gespräch vertieft gewesen, dass sie ihn nicht hatte kommen sehen, obwohl sie mit Blick zur Tür saß.
»Was treibst du denn hier?« Sharon ging sichtlich ein Licht auf, als sie von Derek zu ihrer Freundin sah. »Du hast doch versprochen, es für dich zu behalten«, brummte sie verstimmt.
Gabrielle errötete. »Nein, ich habe nur versprochen, Richard nichts zu erzählen. Von Derek war nie die Rede.«
Sharon schloss ergeben die Augen und schüttelte den Kopf.
»Nun komm schon. Ein bisschen männliche Unterstützung für den Notfall kann doch nur von Vorteil sein«, flüsterte Gabrielle.
Sharon schüttelte unwillig den Kopf, zwang sich jedoch, Vernunft walten zu lassen. »Ja, es ist ein gutes Gefühl, zu wissen, dass wir nicht auf uns allein gestellt sind«, gab sie zu. Sie hob den Kopf und sah ihren Freunden in die Augen.
Derek legte die Hand auf die Rückenlehne ihres Stuhles und beugte sich zu ihr. »Dein Geheimnis ist bei mir sicher. Und du auch.« Da es mittlerweile keine leeren Stühle mehr gab, stellte er sich neben Gabrielle und winkte einer Kellnerin, die sich zwischen den Tischen und Discobesuchern hindurchschlängelte. »Gemeinsam werden wir mit diesem Typen fertig«, versprach Derek.
Sharon hoffte es inständig.
»Was wollt ihr trinken?«, fragte Derek.
»Ich hab noch.« Sharon deutete auf das halbleere Glas, das vor ihr stand. Ihr Cocktail war bereits total verwässert vom geschmolzenen Eis, aber sie wollte keinen weiteren. Sie wollte diesen Abend nur so rasch wie möglich hinter sich bringen.
Sie sah auf die Uhr. Noch fünfzehn Minuten, und sie hatte sich noch immer keinen Plan zurechtgelegt.
»Ich muss mal für kleine Mädchen.« Sie erhob sich.
»Soll ich mitkommen?«
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