Trau dich endlich!: Roman (German Edition)
ihm schlagartig klar, dass der Nachmittag die reinste Tortur werden würde. In Gegenwart seiner Tochter musste er natürlich die Hände bei sich behalten, dabei sah Gabrielle geradezu verboten sexy aus. Tja, das hatte er sich selbst eingebrockt.
Gabrielle hatte vorgeschlagen, schon etwas eher ins Wave zu gehen, damit ihre Freundin zur Beruhigung noch ein, zwei Drinks kippen konnte. Die Ärmste war mit den Nerven am Ende, und Gabrielle konnte es ihr nicht verdenken. Sie hatte ihr von der Begegnung mit Tony DeCarlo berichtet, und Sharon war genau wie Gabrielle enttäuscht, dass nicht mehr dabei herausgekommen war. Auch sie wollte nicht so recht an Tonys wundersame Läuterung glauben. Wenn er nämlich die Wahrheit sagte, bedeutete das, dass jemand anderes sie erpresste, und diesen Gedanken fand sie noch beängstigender.
Ehe Derek eintraf, wollte sich Gabrielle den Discobesitzer George Saybrook vorknöpfen, der zugleich auch Barkeeper war. Man nannte ihn den »neugierigen George«, weil er lieber Fragen stellte, als Ratschläge zu erteilen, und weil er über alles und jeden in Perkins und Stewart Bescheid wusste. Gabrielle kannte George zwar noch nicht persönlich, doch sein Ruf war ihm vorausgeeilt.
Sharon zufolge hatte sich an seiner Neugier über die Jahre hinweg nichts geändert, aber die Leute aus Perkins und Stewart kamen trotzdem gern in seine Bar. Als der alte George vor einiger Zeit einen Herzanfall erlitten hatte, war sein Sohn in das Geschäft eingestiegen. Seth Saybrook hatte Marketing studiert, wie Gabrielle am Nachmittag von Sharon erfahren hatte, und er war gleich nach dem Abschluss in seine Heimatstadt zurückgekehrt, um das Lokal in einen modernen Nachtclub zu verwandeln, der ein etwas jüngeres Publikum anlockte. Sein Vater stand auch nach dem Umbau jeden Abend hinter dem Tresen, und genau dort hoffte Gabrielle ihn auch heute anzutreffen. Sie wollte sich unbedingt ein wenig mit dem alten Herrn unterhalten – über die Vergangenheit ganz allgemein und vor allem über Flüche.
Zum Glück konnten sie noch zwei freie Plätze an der Bar ergattern. George, dem die Ankunft seiner neuesten Gäste natürlich nicht entgangen war, kam breit lächelnd auf sie zu. Seinem wenig schmeichelhaften Spitznamen zum Trotz entpuppte er sich als attraktiver Mann, dem man seine fünfundsiebzig Lenze nicht ansah. Er hatte dichtes, schlohweißes Haar; ob allerdings die Zähne noch alle echt waren, das war und blieb wohl sein Geheimnis.
»Na, Sharon, wie geht es dir und deinem politisch engagierten Verlobten?«, erkundigte er sich.
»Bestens, George. Rührst du noch eifrig die Werbetrommel für Richard?«, entgegnete Sharon.
Er nickte. »Darauf kannst du wetten. Höchste Zeit, dass die alte Schachtel entthront wird.« Er lachte. »Wen hast du denn da mitgebracht?« Er beäugte Gabrielle neugierig, ganz dem Klischee entsprechend.
»Gabrielle, darf ich vorstellen, George Saybrook. George, das ist Gabrielle Donovan, meine beste Freundin.«
Gabrielle schüttelte George die wettergegerbte Hand. »Sehr erfreut.«
»Die Freude ist ganz meinerseits. Was darf ich den Damen kredenzen?«
»Einen Cosmopolitan, bitte«, sagte Sharon.
»Und für mich einen Appletini«, fügte Gabrielle hinzu.
George schnappte sich zwei Gläser. »Genau deshalb hab ich so gerne weibliche Kundschaft – da sind meine Barkeeper-Fähigkeiten mal ein bisschen mehr gefragt als bei den ewigen Biertrinkern.«
Gabrielle lachte.
Doch statt sich ans Mixen zu machen, blieb George noch einen Augenblick stehen. »Der Name Donovan ist mir natürlich ein Begriff«, sagte er zu Gabrielle. »Sie sind die Autorin, nicht? Wie ich höre, haben Sie neulich mit Ihrem Vortrag ganz schön für Furore gesorgt«, fuhr er fort. »Die ganze Stadt redet davon.«
»Welche denn, Stewart oder Perkins?«, fragte Gabrielle.
»Sowohl als auch. In meiner Bar wird da kein Unterschied gemacht.« Er lachte und wandte sich den Cocktails zu.
»Du meinst wohl, in meinem Nachtclub«, schaltete sich Seth ein und gesellte sich zu seinem Vater an den Limonaden-Zapfhahn. »Guten Abend, meine Damen.« Er nickte ihnen zu.
Gabrielle verglich unauffällig Vater und Sohn, während sie sich miteinander bekanntmachten. Beide Männer waren groß und breitschultrig, allerdings hatte Seth rabenschwarze Haare. Genau so musste George in jungen Jahren ausgesehen haben.
»Sehr erfreut«, sagte Seth zu Gabrielle.
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