Trau dich endlich!: Roman (German Edition)
tätschelte er ihre Hand. »Ich mag zwar der Liebe abgeschworen haben, junge Dame, aber nicht der weiblichen Gesellschaft, wenn du weißt, worauf ich hinauswill.«
Gabrielle spürte, wie sie dunkelrot anlief.
»Ich habe gelernt, mich nicht nach etwas zu sehnen, das ich nicht haben kann.«
»Liebe zum Beispiel«, ergänzte sie.
Er nickte. »Zum Beispiel.«
Gabrielle seufzte. Es überraschte sie, wie einleuchtend die Argumentation klang, auf die Thomas und der Rest der Corwin-Männer sich berief.
Es jagte ihr Angst ein.
Wenn sie nämlich nicht beweisen konnte, dass der Fluch nichts weiter als eine zufällige, ungewöhnliche Anhäufung von Unglücksfällen war, dann hatte sie zwar den Stoff für ein faszinierendes, auf Tatsachen beruhendes Buch … aber keine Chance auf eine Zukunft mit Derek.
Sharon kam sich dämlich vor in ihrer Sportklamotten-Tarnung. Sie trug eine Laufhose und ein T-Shirt, hatte sich die Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und eine dunkle Sonnenbrille aufgesetzt, und so wartete sie schon seit Stunden vor dem Haus, in dem Tony laut Gabrielle wohnte. Aber sie würde ihr Vorhaben nicht aufgeben, nur weil sie sich unwohl fühlte. Sie wurde erpresst, und sie war entschlossen, herauszufinden, ob ihr Ex-Freund etwas damit zu tun hatte. Zuerst wollte sie sehen, was für ein Leben Tony inzwischen führte. Sie wollte wissen, ob er sich verändert hatte, oder ob er immer noch derselbe egozentrische Mistkerl wie früher war.
Damals am College war sie tatsächlich blind vor Liebe gewesen. Sie hätte wissen müssen, dass etwas faul war. Sein exklusiver Geschmack – Designersonnenbrillen, teure Restaurants und Anschaffungen, die sich ein Collegestudent nie und nimmer leisten konnte … Doch mit neunzehn war sie viel zu naiv und unbeschwert gewesen, um sich über derlei Gedanken zu machen.
Inzwischen war sie erfahrener, und sie hatte Geduld. Fast den ganzen Nachmittag saß sie nun schon auf einer Bank unter einem Baum. Noch immer keine Spur von Tony.
Gegen vier Uhr wurde ihre Ausdauer endlich belohnt. Ein Mann, der wie Tony aussah, kam um die Ecke und ging schnurstracks auf das Gebäude zu. Er trug ein T-Shirt mit einem Firmenaufdruck auf der Brust, dazu khakifarbene Hosen und eine Sonnenbrille. Er sah nicht mehr so geschniegelt aus wie früher, aber in der Zwischenzeit hatte sich ja auch einiges geändert.
Sharon nahm an, dass der Gefängnisaufenthalt seinem Hochmut einen empfindlichen Dämpfer verpasst hatte, und nach der Entlassung dürfte sich wohl auch sein Lebensstil gründlich geändert haben. Aber vielleicht hatte er ja genau deshalb wieder angefangen, Leute zu erpressen – um sich seinen teuren Geschmack zu finanzieren? Von Sharon hatte er bislang kein Geld erhalten, aber vielleicht gab es ja auch noch andere Opfer. Wenn er Sharons Fotos behalten hatte, dann vermutlich auch die anderer Frauen. Doch aus Angst vor seiner Rache hatte es schon damals keine außer ihr gewagt, sich gegen ihn zur Wehr zu setzen. Später hatten sie dann das Risiko nicht mehr eingehen müssen, weil Tony bereits ein Geständnis abgelegt hatte. Doch wie sah es jetzt aus?
Während sich Tony dem Hauseingang näherte, ging die Tür auf und eine brünette Frau trat heraus. Sie winkte, als sie ihn erblickte, und dann kam hinter ihr ein kleiner Junge aus der Wohnung und rannte auf Tony zu. Dieser bückte sich und schloss ihn in die Arme. Sharon verfolgte die Szene misstrauisch. Gabrielle hatte erzählt, Tony würde sich die Wohnung mit seiner Schwester teilen. Ein Kind hatte sie nicht erwähnt. Leider war Sharon Tonys Schwester nie begegnet, sie würde sie also gar nicht erkennen.
Sharon erhob sich und ging näher, um besser sehen und hören zu können. Dabei hielt sie den Kopf gesenkt, aus Angst, erkannt zu werden.
»Na, wie war dein Tag?«, erkundigte sich die Frau.
Tony setzte den Jungen ab und sagte: »Ganz okay. Und deiner?«
Seine Stimme klang tiefer, aber abgesehen davon genau wie früher. Sharon fröstelte, der brütenden Sommerhitze zum Trotz.
»Ganz schön ausgefüllt.« Sie deutete lächelnd auf den Kleinen. »Erzähl Daddy, was wir heute gemacht haben.«
Daddy?
Er hatte eine Frau? Ein Kind? Ein Leben?
Sharon leckte sich über die Lippen, die sich plötzlich trocken anfühlten.
Konnte es sein, dass Tony sein Leben in den Griff gekriegt hatte? Oder waren Frau und Kind, der Anschein von Normalität, bloß seine
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