Trau dich endlich!: Roman (German Edition)
auf uns gestellt. Grandma war keine große Hilfe; sie war schon recht alt und starb kurz nach ihrer Tochter. Dad hat kleinere Reparaturen in der Stadt und in der Umgebung erledigt, um sich über Wasser zu halten, aber das Geld hat nie ausgereicht, um zu ersetzen, was er an jenem verhängnisvollen Tag verloren hatte. Und auch seelisch war er danach nicht mehr der Alte.«
»Warum?«, fragte Gabrielle, obwohl sie die Antwort bereits ahnte.
»Er hat sich für Moms Tod verantwortlich gefühlt. Er hat oft gesagt: ›Wenn sie einen anderen geheiratet hätte, dann wäre sie noch am Leben‹.«
»Aber …«
Thomas schüttelte den Kopf. »Wir haben ihm genau das gesagt, was du vermutlich auch gerade sagen wolltest – dass der Sturm schuld war. Es war höhere Gewalt. Niemand hätte es verhindern können.«
Gabrielle nickte. Sie war froh, dass er ihre Meinung teilte. »Genau so ist es ja auch.«
»Schon möglich. Tatsache ist, jeder von uns hat versucht, den Fluch zu ignorieren oder zu leugnen. Dass auch meine Brüder und ich die Frauen, die wir geliebt haben, verloren haben, weißt du bestimmt bereits. Und da wundert es dich noch, wenn wir glauben, dass wir verflucht sind?«
Gabrielle seufzte. In dieser Familie hatte sich die Geschichte offenbar so oft wiederholt, dass man dagegen mit logischen Erklärungen nicht ankam, das war ihr nun klargeworden.
Trotzdem versuchte sie, seine Argumente zu widerlegen. »Auch wenn Sie selbst noch so viel mitgemacht haben – Ihnen muss doch klar sein, dass auch andere Menschen Schicksalsschläge erleiden. Solche Dinge geschehen nun einmal, und sie lassen sich nicht immer erklären.«
»Onkel Thomas!«, rief Holly. »Ich bin so weit.« Sie deutete auf den Eimer und den Gartenschlauch, der sich vom Wasserhahn quer über den Rasen zu ihr spannte.
Fred, der neben Gabrielle vor sich hingedöst hatte, hob den Kopf.
»Komm zu mir, Fred«, lockte ihn Holly.
Der Hund warf einen Blick auf den Eimer, einen zweiten auf den Wasserschlauch und erhob sich.
»Fre-hed!«, rief Holly, worauf sich der Basset auf seinen kurzen Beinen in die entgegengesetzte Richtung entfernte.
Gabrielle schmunzelte. »Er ist klüger, als er aussieht.«
Thomas grinste. »Geh und hol die Leine, Holly. Ich bin gleich wieder da«, rief er seiner Nichte zu. »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie gern ich dir Recht geben würde, Gabrielle. Ich habe einen Sohn, der alles Glück dieser Erde verdient, aber er hat schlechte Karten. Sieh dir nur Derek an.«
In Anbetracht von so viel Uneinsichtigkeit bekam Gabrielle Kopfschmerzen. Diese Sturheit war eine typisch corwinsche Eigenschaft. »Das habe ich schon getan, und zwar sehr gründlich. Er hat mit mir Schluss gemacht, damit mir nichts zustoßen kann. Und die gescheiterte Ehe, die er hinter sich hat, lässt sich genauso wie sein geschäftlicher Rückschlag mit menschlichem Versagen begründen«, widersprach sie frustriert.
Zu ihrer Überraschung streckte Thomas den Arm aus und ergriff ihre Hand. »Mir ist schon klar, warum du dich an die Überzeugung klammerst, dass es keinen Fluch gibt. Warum du unbedingt den Gegenbeweis erbringen willst. Aber glaub mir und meinen Brüdern – es ist unmöglich.« Er tätschelte mitfühlend ihre Hand, doch das bestärkte sie nur in ihrem Entschluss, Derek die negative Denkweise seiner männlichen Anverwandten auszutreiben.
»In meinem Alter …«
»Wie alt sind Sie denn, wenn ich fragen darf?«
Thomas grinste. »Sechsundfünfzig. Hank ist siebenundfünfzig, und Edward ist mit seinen fünfundfünfzig immer noch der ›Kleine‹.« Bei der Erwähnung seines einstigen Rivalen verdüsterte sich seine Miene erneut. »Warum?«
»Weil Sie alle so jung wirken. Sie sind jung; zu jung, um der Liebe abzuschwören«, stellte Gabrielle fest, wohl wissend, dass sie hier mit einem Mann, den sie kaum kannte, ein sehr persönliches Thema diskutierte.
Doch Derek kannte seinen Onkel schon sein Leben lang, und seine Ansichten zum Thema Leben und Liebe waren geprägt von den Entscheidungen, die Thomas und seine Brüder getroffen hatten und trafen.
Thomas zuckte die Achseln. »Ich kann nur für mich selbst sprechen, aber ich genieße mein Leben.«
»Und Sie wollen tatsächlich die kommenden dreißig oder mehr Jahre allein verbringen – beziehungsweise mit Ihrem Bruder –, nur weil es mit der Liebe beim ersten Mal nicht geklappt hat?«
Wieder
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