Trau niemals einem Callboy! (German Edition)
selbst, als würde sich mein Körper erinnern. Mit einem Lachen werde ich schneller, überhole Marc und drehe eine Pirouette.
„Das ist ja ganz leicht“, rufe ich ihm zu, werde noch schneller, bis ich spüren kann, wie der Wind mit meinen Haaren spielt. Ich drehe mich um, laufe rückwärts, breite meine Arme aus, drehe noch eine Pirouette und dann noch eine.
„Im September fängt das Training in der Eishalle wieder an. Dann brauchen wir dich“, sagt Marc, als wir nach einer Stunde die Blades in seinem Kofferraum verstauen.
„Ich weiß nicht, aber ich werde darüber nachdenken“, antworte ich. Enttäuschung breitet sich in mir aus, als ich realisiere, wie gerne ich sein Angebot annehmen würde. Aber ich kann nicht, nicht jetzt, wenn mein Leben ein einziges Chaos ist.
„Denk nicht zu lange nach.“ Mit einem leisen Klicken schließt er seinen Kofferraum, steigt ein und winkt mir noch einmal zu, bevor er vom Parkplatz fährt.
18
Noch bevor ich Nana sehe, höre ich Ginos überschwängliche Begrüßung.
„Bella, Bellissima! Madonna!“ Sämtliche Köpfe im Restaurant drehen sich Richtung Eingang. Und sie werden nicht enttäuscht. Wie immer ist Nanas Auftritt spektakulär. Flankiert von zwei reinrassigen Dalmatinern, deren Halsbänder selbst in der sanften Beleuchtung des Restaurants funkeln, als wären sie mit Diamanten besetzt, strebt sie meinem Tisch zu. Selbstverständlich dem besten Tisch im Restaurant. Nana würde sich niemals dazu herablassen, mit dem zweitbesten zufrieden zu sein. Nicht, dass Gino es wagen würde, daran auch nur zu denken.
Nanas kurzer Weg bis zu mir wird von seinem Redeschwall begleitet. Nie habe ich so viele „Madonnas, Signorinas, Bellas und Bellissimas“ gehört, wie in diesen wenigen Minuten. Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass Gino einen zusammenhängenden Satz von sich gegeben hat. Es klingt eher wie die Anbetung einer Göttin. Und so ähnlich sieht Nana auch aus.
Sie ist eine Vision in weißem Leder. Ich kenne nur wenige Menschen, die ein solches Outfit tragen können, ohne lächerlich zu wirken. Aber meine über siebzigjährige Großmutter gehört dazu.
Bei mir angekommen, begrüßt sich mich mit zwei gehauchten Küssen auf die Wange und setzt sich. Wie durch Zauberhand erscheint ein Eiskühler neben unserem Tisch. Sekunden später halten wir beide ein gefülltes Glas in der Hand.
„Schatz, du siehst erschöpft aus“, stellt sie fest, nachdem wir das Begrüßungsritual hinter uns gebracht haben.
„Ich weiß. Es ist nur, die Sache mit Ron nimmt mich ganz schön mit“, gebe ich mit einem Seufzer zu.
„Vergiss ihn. Er ist es nicht wert, dass du seinetwegen traurig bist. Sei froh. Ron zu verlassen, war richtig. Aber das weißt du ja bereits.“ Mit einem Lächeln hebt sie ihr Glas. „Auf die Liebe!“
Mit einer Grimasse, die man mit viel Wohlwollen ebenfalls als Lächeln deuten könnte, nehme ich einen Schluck. Die Liebe ist so ziemlich das Letzte, worauf ich trinken will.
„Mach nicht so ein Gesicht“, werde ich prompt von ihr ermahnt. „Etwas Besseres, als die Trennung von Ron konnte dir nicht passieren. Die Welt ist voll faszinierender, gut aussehender Männer.“
Nana hat gut reden mit ihrem jugendlichen Liebhaber, denke ich, behalte diese Überlegung aber für mich. Noch bin ich nicht bereit, um mit ihr über „Liebe im Alter“ zu diskutieren.
„Versprich mir eines“, unterbricht sie meinen Gedankengang. „Versprich mir, dass du der Liebe eine Chance geben wirst. Und zwar bald. So schnell wie möglich.“
„Also, ich weiß nicht. Ich brauche erst einmal Zeit …“
„Papperlapapp, Zeit. Niemand braucht Zeit. Glaube mir, die Jahre vergehen schneller, als du denkst, und ehe du dich versiehst, bist du alt.“
„Nana, ich bin noch nicht bereit, das Risiko einzugehen, verletzt zu werden. Nicht, nachdem Ron mich zum Narren gehalten hat und ich gerade dabei bin, meine Hochzeit abzusagen.“ Bei dem Gedanken an das, was mir noch bevorsteht, nehme ich einen weiteren großen Schluck Champagner. Wenn mein Leben so weitergeht, werde ich zur Alkoholikerin.
„Versprich es mir“, drängt sie. Mit einem Seufzer gehorche ich.
„Okay, ich verspreche, dass ich der Liebe wieder eine Chance geben werde“ … vielleicht in zehn Jahren.
„Und zwar, sobald du ihr begegnest“, fährt Nana fort, als hätte sie meine Gedanken gelesen.
„Okay, so bald wie möglich“, stimme ich zu. Das kann ich leicht versprechen, denn es wird nicht so schnell
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