Trau niemals einem Callboy! (German Edition)
antwortet Christian. Verwirrt schaue ich mich um. Wir sind im Schlafzimmer der Suite. Christian liegt neben mir. Während seine Bettseite fast ordentlich aussieht, könnte man meinen, ich hätte gegen eine Legion gekämpft. Das Kissen liegt in einem zusammengeknäulten Haufen auf dem Boden, und die Bettdecke sieht aus, als hätte ich sie als Punchingball benutzt.
„Das tut mir leid. Ich wollte dich nicht wecken“, murmele ich und versuche, das Kissen wieder in eine Form zu bringen, die man als normal bezeichnen könnte.
Mit einem Seufzen setzt er sich auf. „Wovor hast du Angst?“
„Angst? Wie meinst du das?“
„Tamara. Ich habe noch nie einen Menschen erlebt, der im Schlaf eine Panikattacke nach der anderen hat. Von deinen Albträumen ganz zu schweigen. Das war nicht der erste schlimme Traum, den du diese Nacht gehabt hast. Glaube mir.“
„Oh. Es ist nur … Ich habe mich gerade von meinem Freund getrennt, und das Ganze nimmt mich ziemlich mit“, erzähle ich in der Hoffnung, dass er keine weiteren Fragen stellt.
„Hat er dich geschlagen?“
„Nein! So etwas würde Ron niemals tun. Ich bin vorhin wirklich gestolpert und habe mich verletzt. Vielleicht hätte ich nicht so viel Champagner trinken sollen“, setze ich reumütig hinzu. Innerlich winde ich mich. Hoffentlich glaubt er mir diese Geschichte. Schließlich stimmt sie ja auch weitgehend.
„So?“ Noch immer misstrauisch, mustert er mich eingehend.
„Ich habe den Eindruck, dass ich Ron nicht so gut kenne, wie ich immer dachte. Dass er zu Dingen fähig ist, die ich nie für möglich gehalten hätte“, setze ich erläuternd hinzu.
„Komm her.“ Christian rückt an mich heran und legt seine Arme um mich. „Solange ich bei dir bin, brauchst du keine Angst zu haben“, flüstert er in mein Ohr.
23
Als ich am nächsten Morgen aufwache, ist das Bett neben mir leer. Ein Zettel liegt auf dem Nachtisch. „Ruf mich an, wenn du mich brauchst“, steht darauf. Mein Kopf dröhnt, und das helle Sonnenlicht, das durch den Vorhang in das Zimmer strömt, tut in meinen Augen weh. Ich wünschte, ich wäre tot. Dann würden wenigstens die Kopfschmerzen aufhören. Außerdem wäre ich von dem Chaos erlöst, zu dem mein Leben geworden ist. Mit Mühe schüttele ich diese düsteren Gedanken ab. Aber es ist nicht einfach, eine Depression scheint im Hintergrund meines Bewusstseins zu lauern und nur darauf zu warten, dass ich mich ergebe.
Ibiza! Da kein Flug mehr frei ist, werde ich mit dem Auto hinfahren. Vorher muss ich noch einiges klären und organisieren, dann aber hält mich nichts mehr in Deutschland. Jetzt bei Tageslicht verebbt auch meine Angst ein wenig. Sie werden mir nichts tun. Ganz bestimmt! Schließlich brauche ich Zeit. Fünf Millionen lassen sich nicht eben mal in ein paar Minuten von einem Konto zum nächsten transferieren. Das werden sie doch sicherlich einsehen!?! Wenn es das Geld war, was Blondie und Rambo meinten …
Mit einem frustrierten Stöhnen reibe ich mir die Augen. Im Moment hasse ich mein Leben wirklich, und dann schaffe ich es nicht einmal, eine zufriedenstellende Nacht mit Christian zu verbringen. Auch dieses Mal gibt es keine Erinnerung an Sex. Nur dieses Mal weiß ich, warum: Es hat keinen gegeben. Ich war gestern froh, dass er mich nur im Arm hielt. Zu mehr war ich nicht fähig. Das ist immerhin der Vorteil, wenn man fünfhundert Euro zahlt , meldet sich mein zynischer Verstand zu Wort. Man kann bestimmen, was passiert oder nicht passiert.
Zumindest hat es mir eine Nacht eingebracht, in der ich keine Angst zu haben brauchte , kontere ich, um gleich darauf zu denken, dass ich mit diesen Selbstgesprächen aufhören muss. Und zwar sofort! Sonst finde ich mich eher, als mir lieb ist, in der psychiatrischen Anstalt wieder.
Ron ist an all dem schuld!, ist mein nächster Gedanke. Ich weiß noch nicht wie, aber irgendwie steckt er hinter all dem. Die Leiche. Das Fremdgehen sowieso. Und dann die beiden dunklen Gestalten, die mich gestern bedroht haben.
Ein tiefer Seufzer begleitet diese Erkenntnis. Ich bin weder Privatdetektivin noch besonders mutig. Wie zur Hölle soll ich diesem Chaos entkommen?
Trotzdem! Ich will mein Leben zurück. Will endlich wieder frei von Angst meinen Tag gestalten können. Also werde ich zu ebenso drastischen Mitteln greifen wie Ron. Und dann werden wir ja sehen. Obwohl mein Kopf noch immer schmerzt und ich den Eindruck habe, als wäre er doppelt so groß wie sonst, schnappe ich mir
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