Trau niemals einem Callboy! (German Edition)
ist kein Mörder!
Ich wünschte, ich könnte mit jemandem darüber reden. Eine andere Meinung hören, mir sagen lassen, was ich tun soll. Was das Richtige ist. Aber ich weiß nicht, mit wem.
Mit meiner Mutter kann ich das Ganze unmöglich besprechen, und auch Nana möchte ich mit diesen Problemen nicht belasten. Reinhard ist mit seiner Familie auf den Seychellen. Es ist der erste Urlaub seit Jahren. Undenkbar, ihn dort zu stören, mit meinen Problemen zu belasten. Und außerdem … Ich mag meinen Stiefbruder, liebe ihn fast wie einen eigenen Bruder, aber seit mein Vater ihn bevorzugt hat,, sind meine Gefühle zwiespältig.
Ich gebe es mir gegenüber nur ungerne zu, aber ich bin eifersüchtig. Mein Leben lang habe ich um die Anerkennung meines Vaters gekämpft, und Reinhard musste nichts tun. Nie gab es eine ernsthafte Auseinandersetzung zwischen ihm und meinem Vater. Es vergeht kaum ein Gespräch, in dem Vater sich nicht anerkennend über meinen Stiefbruder äußert. Ich wünschte, er würde nur ein einziges Mal etwas Positives über mich sagen.
Nein. Ich kann Reinhard nicht um Hilfe bitten.
Im Geiste gehe ich meine Freundinnen durch. Dabei stelle ich zum ersten Mal fest, dass ich im Grunde keine gute Freundin habe. Nicht, seit Anna nach Ibiza ausgewandert ist.
Sehnsüchtig denke ich an die Zeit zurück, die wir zusammen verbracht haben. Anna war der einzige Mensch, der nachvollziehen konnte, warum ich so oft unter der Tatsache gelitten habe, dass meine Eltern wohlhabend sind. Genau wie ich, kommt sie aus einem reichen Elternhaus. Und genau wie ich, hat sie oft genug mit den Vorteilen kämpfen müssen, die ihr nur aus diesem Grund entgegengebracht wurden. Als sie damals auf unsere Schule kam, dauerte es nicht lange und wir wurden unzertrennlich. Vereint in dem Kampf gegen den Neid der anderen. Aber nicht nur das, wir hatten auch die gleichen Interessen, waren beide fanatische Sportlerinnen. Sie als Reiterin und ich als Eiskunstläuferin.
Und dann waren da noch unsere berüchtigten Samstagabende, als wir älter geworden waren. Nicht mehr zu Hause wohnten, sondern uns in Frankfurt eine Wohnung teilten. All das hörte auf, als ich Ron kennenlernte und begann, immer mehr Zeit mit ihm zu verbringen.
Natürlich war es nicht das erste Mal, dass eine von uns einen Freund hatte, aber mit Ron war es anders als zuvor. Intensiver. Anfangs schien mir jede Stunde, die ich ohne ihn verbringen musste, verlorene Zeit zu sein. Ron war mein Held, der strahlende Ritter, der, ohne sich durch meinen Reichtum einschüchtern zu lassen, seinen eigenen Weg ging. Der intelligente, brillante Aufsteiger, der sich seine Lorbeeren selbst erkämpfte, ohne Unterstützung meiner Familie.
Ron war der eigentliche Grund, weshalb meine Beziehung zu Anna immer schwächer wurde. Nach nur einem Jahr zog ich mit ihm zusammen, ein halbes Jahr später wollte Anna für unbestimmte Zeit nach Ibiza. Seitdem ist unser Kontakt fast abgebrochen. Nur selten schreiben wir uns eine E-Mail oder telefonieren miteinander.
Traurigkeit breitet sich in mir aus, als ich feststelle, dass ich diese Entfremdung zugelassen habe. Ich sollte sie besuchen, die Freundschaft wieder aufleben lassen und mich bei ihr entschuldigen. Ein Gefühl der Hoffnung regt sich, als ich mir vorstelle, wie wir uns treffen. Wie froh wir beide darüber sein werden, einige Tage miteinander verbringen zu können.
Mit neuem Mut richte ich mich in den Kissen auf. Der Gedanke, die Stadt zu verlassen und sämtlichen Problemen zu entfliehen, gefällt mir. Auf Ibiza werde ich die nötige Zeit und Ruhe haben, um mein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Um die Frage zu lösen, wie ich für Gerechtigkeit sorgen kann.
Ich werde einen Flug buchen, jetzt gleich! Kaum hat der Gedanke Gestalt angenommen, als ich auch schon an meinem Netbook sitze und nach Flügen suche. Die Aussicht darauf, mit einem Menschen über alles reden zu können und der beklemmenden Atmosphäre, die mich hier verfolgt, entfliehen zu können, ist das Beste, was mir in den letzten Tagen passiert ist. Mit Feuereifer wühle ich mich durch die verschiedenen Angebote, nur um wenig später die Suche enttäuscht zu beenden. Es gibt in den nächsten vier Wochen in keiner Maschine einen freien Platz für mich.. Nicht, wenn ich in weniger als zehn Stunden dort sein möchte.
Enttäuschung breitet sich in mir aus. Noch vor wenigen Minuten hatte die Vorstellung, mit Anna zu sprechen und auf Ibiza ein paar schöne Tage zu genießen,
Weitere Kostenlose Bücher