Trauerweiden
überaus elegant wirkenden Schwung seiner schmalen Hand aus dem Gesicht befördern musste, um etwas sehen zu können.
»Grüß Gott, wir sind von der Polizei«, begann Heiko, als sie direkt beim Tisch standen. »Ist bei euch noch frei?«
Alle drei sahen auf, und es war die Gestylte, die zuerst zu reden begann. »Ach, die Polizei. Sie kommen bestimmt wegen der Jessi. Also, nicht, dass Sie jetzt schlecht von uns denken, weil wir hier im Zelt hocken … so nach allem, was passiert ist. Ich hab halt gedacht, das ist gut fürs Team, aber Sie sehen ja, wir sitzen hier, und alle sind traurig, und das ist doch auch eine Form des Trauerns, oder nicht, und wir … «
Lisa legte der Frau eine Hand auf den Arm. »Sie müssen sich nicht rechtfertigen. Ist schon in Ordnung.« Bestätigend setzte sie sich neben sie.
Heiko machte ein »Hm« und setzte sich dann ebenfalls dazu.
»Lisa Luft, und das hier ist Heiko Wüst.«
Auch die drei Hairstylisten stellten sich vor. Die Normale hieß Katja Blum, der metrosexuelle Konradin Breiter und die Chefin Uschi Seibold.
»Routinemäßig befragen wir die Kollegen und Freunde des Opfers. Sie brauchen sich nichts dabei zu denken«, informierte Lisa lächelnd. »Also?«
Sie sah auffordernd Uschi an. Die schluckte merklich. »Samstagabend, nicht?«
Lisa nickte.
»Also, wo soll ich da schon gewesen sein, da, wo halt jeder normale Crailsheimer um die Zeit ist, im Zelt halt.«
»Ich auch«, warf Conny nervös dazwischen.
»Und mein Freund kann das bestätigen«, fuhr Uschi aufgeregt fort. »So kenn ich das aus den Krimis, das braucht ihr doch, gell?«
Lisa erklärte: »Ach, uns geht es erst mal eher darum, wer die Jessica an diesem Tag noch gesehen hat. Und was sie so getan hat.«
Heiko hingegen grinste in sich hinein und fragte sich unwillkürlich, ob das beim Konradin wohl auch der Freund würde bestätigen können. Er hatte ja nichts gegen Schwule, die waren schon mal keine Konkurrenz. Aber sie waren ihm ein bisschen suspekt. Bei Conny konnte es allerdings tatsächlich sein, dass er einfach nur gepflegt war und nicht etwa schwul. Sehr gepflegt, wenn man die farblos lackierten Fingernägel dazurechnete.
»Ja, und ich war mit ein paar Kumpels unterwegs. Mit dem Sven Probst zum Beispiel. Und die Jessi hab ich an dem Abend nicht gesehen, gar nicht. Die war aber, glaub ich, beim Leuchtstabauftritt«, informierte Conny ungefragt. Seine Finger trommelten nervös auf die Tischplatte und umfassten schließlich einen enormen Maßkrug, wie um Halt zu finden.
»Und Sie? Frau … «
»Blum«, sagte die Normale, »Katja Blum.«
»Entschuldigen Sie«, sagte Lisa, die den Namen der Normalen bereits kurz, nachdem sie sich vorgestellt hatte, wieder vergessen hatte.
»Also, ich war daheim. Und meine Eltern können das bestätigen. Und wo die Jessi war, weiß ich nicht.«
»Sie wohnen noch zu Hause?«, meinte Heiko.
»Ja«, war die einfache Antwort. Ohne selbst zu werten oder eine Wertung zu erwarten. Einfach normal. Neutralnormal. Kein Wunder, dass diese Frau noch bei ihren Eltern wohnte, dachte sich Heiko. Die Kerle werden die so schnell wieder vergessen, wie sie sie kennen lernen.
»Und wie war das Verhältnis so zwischen euch und der Jessica Waldmüller?«, fuhr Heiko fort.
»Also, ich hab sie gern gehabt, die Jessi«, meinte Uschi sofort. »Die war eine ganz Liebe.«
Conny nickte und brummte zustimmend. »Ich hab sie auch gern gehabt.«
Lisa sah auffordernd zur Normalen hin.
Die seufzte und sagte dann: »Wenn ich ehrlich bin, so ganz grün waren wir uns nicht. Wir waren halt einfach verschiedene Typen.«
»Haben aber trotzdem immer sehr professionell zusammengearbeitet«, beeilte sich Uschi zu versichern und tätschelte der Normalen die Hand.
»Bin ich jetzt verdächtig?«, fragte die Normale, und erstmalig schwang in ihrer Stimme so etwas wie Emotion mit.
»Neinnein«, beruhigte Lisa, »aber es ist gut, dass Sie so ehrlich sind. Wissen Sie, viele Mordopfer mutieren nach ihrem Tod zu engelsgleichen Gutmenschen.«
»Also, wir waren ja nicht wirklich böse aufeinander, nur halt eben … sehr verschieden.«
»Ich verstehe.«
»Und Frau Landmann?«, fragte Heiko weiter.
Uschi winkte ab. »Oh, die waren ein Herz und eine Seele. Wie Geschwister.«
Lisa konnte sich schon vorstellen, wie die Normale sich im Job fühlen musste, mit zwei ach-so-guten-Freundinnen als Kolleginnen und dieser Styling-Matrone als Chefin, sie selbst als graue Maus eher außen vor. So was war nicht zu
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