Trauerweiden
sagten. »Also, die Moni macht das viel besser als die Jessi, die war immer voll gemein«, beschwerte sich eine etwas füllige 15-Jährige bei ihrer Kameradin. »So redet man nicht über Tote«, tadelte die Angesprochene. »Stimmt aber«, beharrte die andere. Inzwischen waren Monika und Tanja bei den Kommissaren angelangt. »Soso, die Polizei«, stellte Monika fest, und Tanja lächelte verlegen. Heiko machte einladende Bewegungen, und Monika und Tanja setzten sich neben sie auf die Bank, welche vernehmlich knarzte, als Tanja sich ächzend niederließ.
»Wir haben die Hierarchie noch immer nicht ganz begriffen«, begann Heiko und sagte dann, zu Tanja gewandt: »Also, Sie sind die Chefin?«
»Ja. Der Erste Leutnant vom Musikzug, und ich bin auch die offizielle Leiterin.«
»Und die Jessica war der Erste Leutnant, und die Monika der Zweite, und jetzt, wo die Jessica tot ist … ?«
Tanja schluckte. »Na ja, wissen Sie, das ist jetzt alles provisorisch, aber nun ist erst mal die Monika Erster Leutnant, die macht das ja ganz gut. Und Silvia ist der Zweite Leutnant, so provisorisch.«
Lisa entging nicht, dass die Dicke Monikas Fähigkeiten lediglich als »ganz gut« bezeichnet hatte und war sich nicht sicher, ob das abwertend gemeint war oder nicht.
»Und wer bestimmt dann, wer Erster Leutnant wird und wer Zweiter?«, fragte Heiko weiter. Nun war es Monika, die mit einem charmanten Lächeln antwortete.
»Ganz einfach. Die Jessi war besser als ich. Länger dabei. Versierter. Auch, wenn sie pädagogisch manchmal etwas fragwürdig war.«
»Wie meinen Sie das?«
Monika räusperte sich. »Sie hat den Mädels schon mal geraten, abzunehmen oder ihnen eine Pickelcreme empfohlen. Sie können sich ja vorstellen, wie so was bei pubertierenden 15-Jährigen ankommt.«
»Aber Monika«, tadelte Tanja und lächelte die Kommissare versöhnlich an.
»Nein, nein, lassen Sie nur, Sie brauchen sich nicht zu genieren. Genau solche Sachen interessieren uns«, erklärte Lisa.
»Also, Sie denken doch aber nicht, dass eine von den Mädels die Jessi auf dem Gewissen hat?«, hoffte Tanja.
Die Kommissarin ließ ihren Blick über die anwesenden Mädchen schweifen. »Nein, das denken wir nicht, keine Sorge«, befand sie dann. »Es sei denn, die Jessica hätte sich auf ein Opfer ganz besonders eingeschossen?«
Tanja schüttelte vehement den Kopf, und Monika antwortete: »Das nicht. Haben eigentlich viele mal was abgekriegt, die Jessi hat immer was gefunden. Es gab natürlich durchaus auch welche, die ihren Ansprüchen genügt haben.«
Lisa entging der anklagende Unterton, den diese Aussage in sich trug, nicht.
»Sicherlich nicht leicht, mit so jemandem zusammenzuarbeiten«, lockte Heiko und wartete gespannt auf die Antwort.
Monika winkte ab. »Ach, die Jessi war trotz allem schon in Ordnung. Der ging es um Perfektion. Die wollte es eben besonders gut machen.«
»Haben Sie ihren Ansprüchen genügt?«, hakte Heiko nach. Monika nickte lächelnd, während Tanja den Blick starr auf den Boden gerichtet hielt.
Auch eine Antwort.
»Und wie haben Sie denn den Freitagabend nach dem Leuchtstabauftritt verbracht?«, fragte Lisa. Immerhin hatten die zwei ein Motiv, wenn auch ein recht verqueres. Es war offensichtlich, dass Tanja von Jessi wegen ihrer unschönen Optik gemobbt worden war, und wer konnte wissen, ob Monika nicht doch aus Imagegründen hinter diesem Leutnantsposten her war. »Wir waren noch im Bacchuskeller, bis um … halb eins, glaub ich? Gell, Tanja?«
Die Brünette nickte heftig. »Ja, bis halb eins. Und die Silvia war auch dabei«, schob sie nach.
Sie hatten noch Simon mit der Überprüfung der Alibis beauftragt und nun folgten sie der Straße nach Cröffelbach. In zwei großen Serpentinen wand sich die Steige wie eine riesenhafte Schlange ins Tal hinab. In Cröffelbach wohnte Heikos Oma, und sein Onkel Sieger nutzte das Elternhaus bei seinen Holzmachausflügen in den umgebenden Wald als Tagesstützpunkt. Auf halbem Weg zwischen Crailsheim und Schwäbisch Hall duckte sich der Weiler ins Tal. Der BMW nahm die letzte Kurve, und sie folgten der Hauptstraße, bis Heiko endlich nach links in den Hof einbog.
Das alte Bauernhaus entstammte noch dem vorletzten Jahrhundert. Ein Fachwerkhaus, das ziemlich marode wirkte, aber dessen pechschwarze Balken der Zeit immer noch trotzten. Sofort erschien Mohrle, die Mäusejägerkatze. Lisa kraulte das schwarze Fell, das eher struppig war und nicht so glänzend wie das von Garfield. Wie
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