Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Trauerweiden

Trauerweiden

Titel: Trauerweiden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wildis Streng
Vom Netzwerk:
Heiko gern in den Regionalmarkt. Mit Sieger im Schlepptau begutachteten sie eine halbe Stunde später diverse Hohenloher Spezialitäten. Sieger deckte sich bei der Gelegenheit mit Bichsawuurschd, dem hohenlohischen Fastfood, und frischer Blutwurst ein, und Heiko kaufte Heuholzer Eiswein, sogenannten Beerus. Lisa hingegen entdeckte etwas, was erneut ihr Entzücken weckte und was sie sofort kaufte: Ein Hällisch-Fränkisches Landschwein aus Plüsch, das garantiert niemand essen würde.
     
    Silvia stand vor dem Spiegel. In voller Montur, das heißt in Uniform. Sie hatte einen Ganzkörperspiegel im Schlafzimmer, freistehend, sodass sie sich gut sehen konnte. Groß war dieser Spiegel und breit. Die Uniform stand ihr ganz ausgezeichnet, sie achtete auf ihre Figur, sie trug noch dieselbe Größe wie vor zehn Jahren. Sie rückte die hohe Kappe zurecht, die das Wappen der Stadt trug. Ausnehmend gut kontrastierten dazu ihre grünen Augen. Ihre Stupsnase war zierlich, und die Lippen weder zu schmal noch zu voll. Sie war schön, das wusste sie, sie gefiel sich. Es hatte Spaß gemacht, Uwe verrückt zu machen, am Samstag nach dem Auftritt und am Montag im Zelt. Er war ihr hoffnungslos verfallen, wieder mal. Die arme Jessica war für ihn nur ein prima Vorwand gewesen, dass er sich mit ihr unterhalten konnte, das hatte sie wohl bemerkt. Sie stemmte die rechte Hand in die Hüfte und ließ den Stab mit der linken rotieren. Hoffnungslos verfallen war er ihr. Denn sie war schön. Und sie war auch gut, das wusste sie, und sie verdiente den Posten des Zweiten Leutnants, mindestens. Die Moni würde irgendwann aufhören, und dann wäre sie endlich der Erste Leutnant. Jessica hatte den Job nicht schlecht gemacht. Silvia wechselte die Stabhand und wirbelte mit rechts weiter. Nicht schlecht. Wie die Jessi überhaupt in allen Dingen nicht schlecht gewesen war, verdammt harte Konkurrenz, um genau zu sein. Aber das hatte sich ja nun erledigt. Silvia Landmann lächelte ihrem Spiegelbild zu. Der Weg war frei.

Mittwoch, 25. September
    »Florian Ehrmann?«, fragte Heiko und hielt dem Mann im Blaumann mit Reiss-Logo auf der Brust seinen Ausweis unter die Nase. »Da hinten«, meinte der ältere Mann, der auf einmal sehr verschüchtert wirkte. Die Luft war stauberfüllt, und Heiko musste husten. Vielleicht sollte er doch ein bisschen weniger rauchen. So langsam konnte er den morgendlichen Hustenreiz nicht mehr als Dauererkältung deklarieren, das war unglaubwürdig. Lisa hob fragend die Augenbrauen und wisperte »Geht’s?« Heiko nickte, und zusammen steuerten sie auf die Ecke zu, in der Florian Ehrmann an einem Säulenkapitell arbeitete. Als er die beiden kommen sah, nahm er die Atemschutzmaske ab und legte Hammer und Meißel weg. »Ich musste wieder arbeiten«, meinte er fast entschuldigend. »Ich kann einfach nicht zu Hause sein. Da, wo sie auch immer war, das ist so … ich weiß nicht.«
    Lisa lächelte dem jungen Mann aufmunternd zu. »Können Sie eine Pause machen? Wir müssten da was besprechen.«
    »Gibt es Neuigkeiten?«
    Die beiden nickten. Florian geleitete die Kommissare in den Aufenthaltsraum und bot ihnen einen Kaffee an. Als der Besuch abwinkte, schenkte er sich achselzuckend selbst einen ein und rührte nervös in dem Becher herum. Sie setzten sich um den billigen Holztisch, um den weiße Plastikstühle standen, die wenig einladend aussahen. Die Küchenzeile und die Gardinen schienen historischen Wert zu haben.
    »Also, wir haben eine Nachricht für Sie, die, nun, nicht ganz so erfreulich ist.« Heiko räusperte sich und wusste nicht so recht, wie er anfangen sollte.
    Der Steinmetz schnaubte. »Wieso, ist die Jessi nochmal gestorben?«
    Heiko räusperte sich erneut. »Wussten Sie, dass Ihre Freundin schwanger war?« Der Kommissar beobachtete den jungen Steinmetz genau. Solche Momente waren sehr wertvoll. Denn in diesen Augenblicken kamen die wahren Gefühle der Menschen ungefiltert zum Vorschein. Auf Florian Ehrmanns Zügen zeichnete sich ganz eindeutig Bestürzung ab. Tiefe Bestürzung, noch tiefere als zuvor. Er stellte die Tasse auf den Tisch. Etwas Kaffee schwappte heraus und bildete einen kleinen See auf der Platte.
    »Nein. Woher wisst ihr das jetzt?«
    »Autopsie«, informierte Heiko und zündete sich eine Zigarette an, da er auf der Fensterbank einen Aschenbecher entdeckt hatte.
    »Und im wievielten Monat?«
    »Im vierten.«
    »Hm. Ein Junge?«
    Heiko bestätigte. Ehrmann stützte den Kopf in beide Hände und sah aus, als

Weitere Kostenlose Bücher