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Trauerweiden

Trauerweiden

Titel: Trauerweiden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wildis Streng
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würde er gleich abrutschen und auf die Tischplatte knallen.
    »Es gibt allerdings eine Besonderheit. Eigentlich zwei«, fuhr Lisa fort.
    Weil Ehrmann statt einer Reaktion nur aus seiner Tasse trank, redete sie einfach weiter. »Erstens hatte der Junge Down-Syndrom.«
    »Was heißt das?«
    »Ein behindertes Kind«, erklärte Heiko zwischen zwei Zügen seiner rotglühenden Zigarette.
    »Hm. Und zweitens?«
    »Zweitens … nun … es fällt mir nicht leicht, wissen Sie, Sie dürfen das nicht zu schwer nehmen. Aber wir möchten es Ihnen trotzdem sagen … «, um deine Reaktion zu testen, setzte Heiko in Gedanken hinzu. »Also, das Kind war nicht von Ihnen.«
    Ehrmann schüttelte den Kopf, ganz leicht. Dann rührte er wieder in seiner Kaffeetasse. »Da müsst ihr euch irren«, sagte er dann ganz leise, so leise, dass er Lisa leid tat, sehr leid. »Ihr müsst euch irren«, sagte der junge Mann noch einmal, noch leiser, sofern das überhaupt möglich war.
    »Leider nicht«, bedauerte Heiko.
    »Die DNA-Analyse war eindeutig.«
    Ehrmann rührte. »Und da ist nichts … ich meine … vertauscht worden oder so?«
    »Unmöglich«, erklärte Lisa.
    »Hm.« Das Klappern des Löffels in der Tasse wurde noch lauter.
    »Können Sie sich vielleicht vorstellen, wer … ich meine, haben Sie eine Idee, wer der Vater des Kindes … Sie verstehen.«
    Ehrmann stand auf und sah zum Fenster hinaus. »Ich hätte nicht gedacht, dass sie fremdgegangen ist, meine Jessi, das muss ein Irrtum sein.« Er setzte sich wieder an den Tisch und nahm nun endlich einen Schluck Kaffee. Florian Ehrmann behielt das Gebräu lange, lange im Mund, bevor er schluckte. Sein Adamsapfel hüpfte merklich. »Sie hatte einige Verehrer«, meinte er endlich, »von früher. Aber ich kann mir nicht denken, dass einer von denen … die haben sie mehr so aus der Ferne angehimmelt, versteht ihr.«
    »Vollkommen. Wenn Sie uns trotzdem die Namen geben … «
    Ehrmann seufzte vernehmlich. »Das sind alte Geschichten. Aus der Schulzeit noch. Da wird nichts dabei rauskommen, da bin ich mir ganz sicher. Von denen war keiner mit ihr im Bett. Zumindest nicht in letzter Zeit.«
    »Wir überprüfen das trotzdem. Oder haben Sie noch eine andere Idee?«
    Der junge Mann zuckte die Achseln und trank wieder Kaffee. »Männer gibt es viele.«
    »Ja, aber mit wem hatte sie Kontakt?«
    »Ich hab eigentlich gedacht, mit niemandem außer mir«, gab Florian Ehrmann leise zu.
     
    »Das hat ihn ja schon ganz schön mitgenommen«, befand Heiko, als er und Lisa im Cafe Kett ihre Mittagspause verbrachten. Es war sonnig, und so konnten sie draußen sitzen. Der Brunnen mit den zerfetzten Bronzeschweinen plätscherte dekorativ vor sich hin. Nicht unbeträchtliche letzte Wespenschwärme umsummten an diesem goldenen Herbsttag die Tische. Ein sonores Brummen lag deshalb in der Luft. Heiko blies eine Wespe vom Löffel, um seine Gulaschsuppe essen zu können. Im Kett gab es nämlich immer einen hervorragenden Mittagstisch, den Herr Kett höchstpersönlich zubereitete. »Nicht pusten, das macht sie noch aggressiver«, riet Lisa. Heiko steckte sich den nun wespenfreien Löffel in den Mund. Gut war die Suppe, sehr gut. Er könnte grad noch einen Teller essen. Heiko nahm ein Stück Weck und tunkte es in die Soße. Er wusste, dass das nicht salonfähig war. Aber es schmeckte ganz hervorragend. Lisa schnalzte tadelnd mit der Zunge, als er zudem noch seinen Daumen ableckte. Er grinste verlegen und sah dabei ein bisschen wie ein Schuljunge aus. »Ein schöner Tag, wirklich. Euer Schweinemarktplatz hat schon was. Da hat Mutter ganz recht«, meinte Lisa versöhnlich und spielte damit darauf an, dass ihre Mutter nicht von dem Gedanken abzubringen war, hier würden samstags immer noch Schweine verkauft. Und Crailsheim sei ein Kuhkaff voller unkultivierter, trampeliger schwäbischer Bauern. Vor allem mit ihrer Aussage, die Crailsheimer seien Schwaben, hatte sich die alte Frau Luft bei Heiko extrem unbeliebt gemacht. Ein Spatz setzte sich auf den Nachbarstuhl und äugte neugierig herüber. Heiko streute einige Weckleskrümel auf das Pflaster und sah zu, wie der ziemlich beleibte Vogel die Spende aufpickte. Lisa knabberte an ihrem Baguette. Es sah so ähnlich aus wie beim Spatz. Tomate-Mozzarella. Ohne Fleisch. Nix Gescheites halt.
    »Wenn ich sterben würde, fändest du das doch auch schlimm, oder etwa nicht?«, fragte Lisa fast ein bisschen beleidigt und kam damit auf ihr eigentliches Thema zurück.
    »Klar«, murmelte

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