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Trauerweiden

Trauerweiden

Titel: Trauerweiden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wildis Streng
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Sterilium, die für Arztpraxen so typisch war. An der Theke saß eine junge Frau mit Brille und einem dicken dunklen Zopf, der ihr bis zum Po reichte. Ihre Finger durchwühlten irgendwelche Papiere, und schließlich sah sie auf. Heiko registrierte sehr braune Augen mit enorm langen Wimpern, die durch die dicken Brillengläser noch vergrößert beziehungsweise verlängert wurden. »Wir haben einen Termin beim Herr Sobieczki«, meinte Heiko lächelnd und hielt der Brünetten seinen Ausweis hin. »Ach ja, nehmen Sie noch kurz im Wartezimmer Platz, der Herr Doktor hat gleich Zeit für Sie.«
     
    Die nächsten zehn Minuten verbrachten die beiden im völlig überfüllten und relativ kleinen Wartezimmer. Frauen jeden Alters saßen schweigend an den Wänden. Die Seiten von Zeitschriften raschelten. Ab und zu beugte sich eine der Frauen zum kleinen Couchtisch hin, um eine neue Illustrierte zu nehmen. Freundin. Brigitte. Gala. Nichts für Männer. Heiko beobachtete seine Freundin verstohlen und folgte ihrem glasig-schwärmerischen Lächeln zu einem Anderthalbjährigen, der gerade über eines der Spielzeuge, die für Kinder bereitstanden, sabberte. Seine schwangere Mutter nahm ohne Umschweife ein Papiertaschentuch aus der Tasche und putzte die Spucke vom Holzspielzeug ab. Heiko verzog angewidert das Gesicht. Die Luft hier drin war stickig, und niemand redete. Eine etwa fünfzigjährige Frau strickte an einem unförmigen Gebilde in grellen Farben. Die Nadeln klapperten. Dann endlich knackte die Sprechanlage, und die Stimme der Brünetten sagte: »Luft und Wüst, Zimmer 2.« Etwas peinlich berührt stand Heiko auf. Die Wartenden schienen daran nichts Ungewöhnliches zu finden. Die Fünfzigjährige strickte weiter, die junge Mutter putzte ihrem Kind den Mund ab. Die Zeitschriften raschelten. »Komm, Schatz«, meinte Lisa grinsend.
     
    Wenig später saßen sie in Zimmer 2. Dem Doktor gegenüber, unter einer modernen Acryllampe mit bunten Klunkern. Doktor Sobieczki war etwa 45. Er war schlank, geradezu asketisch, und hatte rote Haare, die strähnig an seinem Kopf klebten. Zudem trug er eine Hornbrille, an der er beständig herumnestelte. Statt des sonst obligatorischen Arztkittels hatte er einen beigefarbenen Rolli und eine braune Cordhose an. Doktor Sobieczki erinnerte Heiko schwer an einen Streber aus seiner alten Klasse, er kam aber auf die Schnelle nicht auf den Namen.
    Der Doktor räusperte sich. »So, und Sie sind nun also von der Polizei«, sagte er in perfektem Hochdeutsch.
    Heiko faltete die Hände. »Wie Sie ja wissen, sind wir wegen Frau Waldmüller hier«, begann er. Der Arzt hatte einen silberglänzenden Kugelschreiber aufgenommen und begann, ihn schnell zwischen den Händen zu drehen. Gerade so, als wäre er bei den Majoretten. »Ich nehme an, Sie haben einen richterlichen Beschluss?«
    Heiko zog den zusammengefalteten Wisch aus seiner Hosentasche und legte ihn auf den Tisch. Stirnrunzelnd nahm der Arzt das Blatt, rückte seine Brille zurecht, entfaltete den Beschluss umständlich und überflog ihn. Dann lehnte er sich in seinen Lederstuhl zurück. Es knarzte. »Und? Was möchten Sie wissen?«
    »Frau Waldmüller war bei Ihnen in Behandlung«, begann Lisa. »Worum ging’s denn?«
    »Frau Waldmüller war im vierten Monat schwanger. Ich habe für sie die Vorsorgeuntersuchungen gemacht. Dabei haben wir festgestellt, dass der Fötus ein Down-Syndrom hat.«
    »Und dann?«
    Der Kugelschreiber hörte auf, sich zu drehen. »Nun, ich habe die Patientin darüber informiert. Und ich habe ihr angeboten, ein Gespräch mit ihr und ihrem Partner zu führen. Aber das wollte sie auf keinen Fall. Von einer Abtreibung wollte sie aber auch nichts wissen. Sie sagte, das sei kompliziert, was immer das bedeutet hat.«
    Lisa warf Heiko einen schnellen Blick zu, und der nickte.
    »Die DNA-Untersuchung hat ergeben, dass das Baby nicht vom Partner des Mordopfers war, sondern von jemand anderem. Können Sie sich denken, um wen es sich handelt?«
    Der Arzt schüttelte den Kopf. »Manche Frauen erzählen solche Sachen. Frau Waldmüller nicht. Ich glaube, sie wollte ihrem Freund das Kind unterschieben. Das kommt öfter vor, als Sie denken.«
    Heiko nickte. Kinder waren generell ungut. Sie waren laut und anstrengend. Und man konnte nicht mehr so einfach abends in die Sauna, wenn man Kinder hatte.
    »Und Frau Waldmüller hat also nie über eine Abtreibung nachgedacht? Nicht eine Sekunde?«
    »Das war eine klare Sache für sie. Sie war da auch sehr

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