Trauerweiden
Schaltjohr hamm.«
Die Bedienung erschien mit vier Tellern, auf denen knusprig aussehende Schnitzel dampften. Daneben befand sich ein ordentlicher Schöpfer Kartoffelsalat mit Speck. Mmmmh. Heiko wollte gerade zum Besteck greifen, als jemand mit einem Löffel gegen ein Glas klimperte. Alle Anwesenden wandten sich in diese Richtung. Es war Florian Ehrmann, der sich nun räusperte und sich zögernd erhob. »Liebe Familie, liebe Freunde, wir alle sind hier versammelt zum traurigsten Anlass, den man sich nur vorstellen kann. Irgendjemand hat mir, hat uns, unsere Jessi weggenommen. Ich bin unendlich traurig und ich hoffe, dass ihr alle immer an sie denken werdet.« Er schluckte und kämpfte sichtlich mit den Tränen. Jemand hüstelte. »Ich bin zuversichtlich, dass … dieses Schwein … gefunden wird und seiner gerechten Strafe zugeführt wird. Aber jetzt … ein letztes Mal … auf dich, Jessi.« Er hob sein Glas und trank, und die Anwesenden taten es ihm nach. Schweigen stellte sich ein, und Heiko blickte sehnsüchtig auf das verlockend dampfende Schnitzel. Florian setzte sich wieder, und alle begannen zu essen. »Schee hatter’s gmacht«, lobte Martha kauend. »Is a reechder Bua.« Rosa nickte. »Ja, nett.« Nun schnitt auch Heiko ein Stück vom Schnitzel ab und aß es. Es schmeckte wirklich ganz hervorragend, die Leute vom »Fuchsen« verstanden eben ihr Handwerk.
Wie erwartet hatte er die Hälfte von Lisas Schnitzel bekommen, da diese das Fleischstück wieder mal nicht geschafft hatte. Er hegte ja den Verdacht, dass sie es eigentlich schon schaffen würde, dass es sich aber um eine verkappte Diätmarotte handelte. Aber ihm war das nur recht. So hatte er anderthalb Schnitzel, denn von Fleischbollen konnte man nie genug haben. »Setzen wir uns mal an den Familientisch? Wir kennen die Schwester von der Jessica und die Familie vom Florian noch gar nicht.« Heiko nickte, sie entschuldigten sich und gingen auf den Tisch zu, an dem sich die beiden Familien platziert hatten. Man sah den Gruppen an, dass sie sich nicht ganz grün waren. Die alten Waldmüllers wirkten schon sehr konservativ. Den Inbegriff des Spießertums stellte aber die junge Frau dar, die neben den Eltern des Mordopfers saß. Sie trug ein schwarzes Wollkostüm mit weißer Bluse, dessen Rock eine unmodische, mittlere Länge hatte. Trotzdem hatte man nicht den Eindruck, dass sie sich keine modische Kleidung würde leisten können. Im Gegenteil. Das Kostüm war edel. Aber wenig kleidsam und überaus hässlich. Dabei hatte die eigentlich noch junge Frau, die bestimmt nicht älter als 35 war, eine geradezu asketisch dünne Figur, die jeglichen Sinn für Sinnlichkeit vermissen ließ. Ein Übriges tat die Hornbrille, die auf ihrer Nasenspitze aufsaß und über die sie misstrauisch herüberäugte, als Lisa fragte, ob sie sich kurz setzen dürften. Insgesamt wirkte sie wie eine Lehrerin aus einem dieser Internatsromane aus dem vorletzten Jahrhundert, etwa für Hauswirtschaft oder ähnlich Biederes. »Aber natürlich«, sagte sie dann in perfektem Hochdeutsch und mit einer für eine Frau ungewöhnlich tiefen Stimme. Rechts davon saß Florian, aber, wie sein weggedrehter Oberkörper verriet, sicherlich nicht aus Sympathie, sondern eher aus strategischen Gründen. Er war eben das Bindeglied zwischen den beiden Familien. Neben ihm saß eine sehr blonde und recht üppige Frau, die Heiko vorher ja nur von hinten gesehen hatte. Die beiden Mädchen, die ihre Hüte mittlerweile arg schief am Kopf trugen und deren Zöpfe sich merklich gelockert hatten, saßen ihr gegenüber. Neben der Frau, die durchaus adrett hergerichtet war, saß Florians Schwager, Mario Schuster, ein recht gutaussehender, dunkelhaariger Mann. Noch daneben Florians Eltern, die einfach nur rund und gemütlich wirkten und sicherlich auch gute Laune ausgestrahlt hätten, wäre der Anlass nicht so traurig gewesen. Sie stellten sich wie erwartet als Herr und Frau Ehrmann vor. Lisa und Heiko nickten allen zu, und Lisa schenkte den beiden blonden Mädchen ein so strahlendes Lächeln, dass es Heiko ganz anders wurde. Hoffentlich käme sie nicht auf dumme Gedanken.
»Erstmal herzliches Beileid«, wünschte Lisa, und die Anwesenden murmelten ein Dankeschön.
»Sie sind die Schwester der Verstorbenen?«, wandte sich die Kommissarin nun an die Asketische, die bedeutsam nickte. Lisa registrierte ihren sehr teuren, aber ungemein blassen Lippenstift. Nude-Look.
»Und wie standen Sie zu Ihrer
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