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Trauerweiden

Trauerweiden

Titel: Trauerweiden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wildis Streng
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backt einen phantastischen Kuchen. Und jetzt, das mit der Jessi … wissen Sie, das wirft uns alle richtig aus der Bahn.«
    Die Frau neben ihm blieb stumm. Sie saß mit undeutbarer Miene vor einem Glas Bier, an dem sie sich regelrecht festklammerte. Trotzdem konnte man in ihrem Gesicht Trauer lesen, echte Trauer. Heiko beschloss, die Angehörigen mit den Fakten zu konfrontieren. War ja schließlich allerengster Familienkreis.
    »Sie wussten ja bereits, dass die Jessica schwanger war.« Spätestens vom Pfarrer hatten sie es ja erfahren. Er beobachtete die Gesichter. Dann senkte er die Stimme, sodass die Tratschweiber den Rest nicht mitbekommen konnten: »Und das Kind war auch nicht von Florian, leider.«
    Nach einer kurzen Pause, in der er die Gesichter studiert hatte, fuhr er fort: »Hat irgendjemand von Ihnen eine Idee, von wem … « Er ignorierte Florians traurig-anklagenden Blick.
    Nun meldete sich Herr Waldmüller, die Stimme zu einem Zischen verzerrt. »Passen Sie ja auf, dass das nicht die Runde macht, denn das wäre eine Katastrophe.«
     
    »Katiiii!«, schallte es von unten herauf. Katja Blum blinzelte. Das durfte doch nicht wahr sein. Nicht nur, dass sie am Wochenende wieder kein Date hatte, trotz ihres Clix-Mix-Profils, das angeblich Wunder wirken sollte. Keiner wollte die langweilige, unscheinbare Katja, weder die Chefin noch die Kerle. Sie starrte an die Decke und schloss die Augen, als sie die energisch-fordernden Schritte ihrer Mutter auf der Treppe hörte. Die Tür zu ihrer Dachkammer schwang mit schnarrendem Geräusch auf. So war es immer schon gewesen. Anklopfen war unüblich in diesem Hause, man hatte ja schließlich nichts zu verbergen, und Schlüssel gab es nicht. Wie sehr sehnte sie sich nach einem Ort, an dem ihre Mutter nicht zu jeder Sekunde ihr Refugium stürmen konnte. Eine eigene Wohnung. Sie müsste ja gar nicht groß sein, wirklich nicht. Genauer gesagt täte es sogar die letzte Absteige. Vollkommen egal. Hauptsache, sie hätte ihre Ruhe. Aber Jessica hatte alles kaputt gemacht. Jetzt war sie über 30 und wohnte noch immer zu Hause. Gut, sie sparte Geld. Aber zum Ausziehen reichte es definitiv nicht. Ihre Mutter kochte für sie. Aber das war nicht alles. Sie ertrug die langweiligen Tischgespräche, die stets den Tenor »Na, wie war euer Tag so« hatten, nicht mehr. Ihr Vater berichtete dann umständlich und in allen Einzelheiten von seinem heldenhaften Job in der Fabrik, und wenn sie selbst dann mühsam ein »Geht so« heraus brachte, fühlte sie sich wie eine unzufriedene Pubertierende, die aufsässig im Essen stochert und unlustig rüberkommt. Furchtbar war das, und es schlug ihr aufs Gemüt. »Schatz?«, kam es von der Türe, wohl schon zum zweiten Mal. »Mh?«
    »Ist alles in Ordnung mit dir?«
    »Ja, ja.«
    »Dann ist es ja gut.« Wenigstens besaß ihre Mutter so viel Takt, die Türe nun doch leiser zu schließen. Katja richtete sich auf und blickte ein letztes Mal zum Computerbildschirm, ob da, links oben im Profil, nicht etwa das kleine Briefchen blinkte, als Symbol dafür, dass ihr vielleicht doch jemand eine Nachricht hatte zukommen lassen, dass sich wenigstens IRGENDJEMAND für sie interessierte, sie überhaupt wahrnahm. Manchmal reichte auch schon Werbung für eine Party, zu der sie eh nie hinging. Aber immerhin. Werbung war auch eine Nachricht. Aber das Briefchen blinkte nicht. Sie wartete noch ein paar Sekunden. Dann stand sie auf, ging zum Computer und schaltete ihn ab, bevor sie endgültig zu Bett ging.
     
    Die hohen Stängel mit den langen, dunkelgrünen Blättern schoben sich vor ihnen zusammen und schienen geradezu in den Himmel hinein zu wachsen. Sie überragten sie um gut zehn Zentimeter, an einigen Stellen waren die Pflanzen auch größer. Jedenfalls zeichneten sich aus Lisas Perspektive die Blätter scharf gegen den nächtlichen Himmel ab, dessen Grauschwarz das im Licht der Taschenlampen fahle Grün der Pflanzen hervorhob.
    »Na, verhungern werden wir wenigstens nicht«, konstatierte sie trocken, riss einen Maiskolben ab und schälte die äußeren Blätter ab. Schon stieg der unverkennbare, süßlich-mehlige Duft auf.
    »Jetzt musst du ihn aber auch essen, wenn du ihn schon klaust«, tadelte Heiko.
    »Iiich? Ich hab gar nichts geklaut. Das … «
    »… das ist Mundraub«, stellte Heiko fest. »Bis zu drei Früchte darf der hungrige Wanderer vom Baum verzehren, so ist die Regel. Aber er muss sie VERZEHREN.«
    »Hungrige Wanderer sind wir ja wohl, oder?«,

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