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Trauerweiden

Trauerweiden

Titel: Trauerweiden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wildis Streng
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mit hoher Wahrscheinlichkeit Linkshänder, und allzu kräftig ist er auch nicht.«
    »Eine Frau?«, vermutete Lisa.
    »Möglich«, stimmte Uwe zu, »muss aber nicht sein.«
    »Noch irgendwas?«, forschte Heiko.
    »Er hatte wahrscheinlich anatomische Kenntnisse, denn der Stich war unglaublich präzise«, meinte Uwe.
     
    Kurze Zeit später saßen die beiden Kommissare wieder im Büro. Lisa goss vorsichtig ihre Orchideen und betrachtete sorgenvoll einen Frauenschuh, der offenbar keine Lust zum Blühen hatte.
    »Also, telefonieren wir doch einfach die letzten Nummern durch, würde ich vorschlagen. Sind ja nur fünf. Oder?«
    Lisa nickte abwesend. Die Blätter zeigten gelbe Spitzen, das gefiel ihr gar nicht. Und das war ihr noch nie passiert. Heiko seufzte und wählte die erste Nummer. Es tutete, und er stellte die Anlage auf laut, sodass Lisa mithören konnte. Beim fünften Mal meldete sich eine Stimme: »Waldmüller?«
    »Hier Kommissar Wüst, entschuldigen Sie die Störung, Herr Waldmüller«, sagte Heiko.
    »Haben Sie schon was Neues?«, wollte der Vater des Opfers wissen.
    Heiko schüttelte den Kopf, obwohl der Gesprächspartner das ja gar nicht sehen konnte. »Nichts Konkretes, aber einige Hinweise. Seien Sie unbesorgt, wir klären den Mord.«
    Bei der nächsten Nummer meldete sich Hofmeisters Anrufbeantworter. Er hatte offenbar versucht, eine Oktave tiefer zu sprechen, wohl, um männlicher zu wirken.
    »Guten Tag, hier ist der Anrufbeantworter von Bernhard Hofmeister. Leider bin ich im Moment nicht zu erreichen. Sollten Sie mich buchen wollen, so können Sie sich auch gerne auf meiner Website www.hofmeistermodel.de informieren. Dort finden Sie auch weitere Kontaktdaten. Über Ihre Anfrage freue ich mich. Wenn Sie eine Nachricht hinterlassen möchten, so können Sie dies gerne tun.«
    Es piepte, und Heiko legte schnell auf.
    »Das hört sich aber mal geschäftsmäßig an«, stellte Lisa fest.
    Heiko zuckte die Achseln. Na ja.
    Die dritte Nummer war das Handy von Florian, was ja keine echte Überraschung war. Bei der vierten Nummer meldete sich Elke Schuster, die angab, immer so gerne mit der »guten Jessi« geplaudert zu haben und mehrfach bedauerte, dass »der himmlische Vater sie schon so früh abberufen« habe. Heiko hielt das Gespräch so kurz wie möglich, weil es für ihn überaus schwierig war, für dieses Gelaber Verständnis zu heucheln.
    »Also, wenn du mit so einer verwandt bist, dann hast du doch auch ein Problem, oder?«, meinte er.
    Lisa nickte. »Ja, den Eindruck habe ich auch. Ich kann schon verstehen, dass Florian Ehrmann die Gesellschaft von Monika Silberschmidt vorzieht.«
    Heiko hatte den Hörer wieder aufgenommen. Es tutete erneut, und Sekunden später war wieder ein Anrufbeantworter dran. Er stellte wieder auf laut.
    »Hi, hier ist die Moni«, piepste die Silberschmidt mit Kleinmädchenstimme. »Hätte mich so gern mich euch unterhalten, aber ich bin grad leider nicht da.«
    Heiko legte auf. »Das ist ja interessant«, sinnierte er.
    »Was?«
    »Wenn wir die Familie mal weglassen … Monika und Hofmeister.«
     
    Heikos Handy piepte. Er las die SMS. »Till fragt, ob wir mit ins Blootzessen gehen.«
    »Ins was?«, fragte Lisa entgeistert.
    »Blootzessen. Schmeckt gut, du wirst schon sehen.«
     
    Die Hände der Hairstylistin umklammerten den Zeitungsausschnitt. Schwarz umrandet war der Artikel und er war das Beste, was ihr hatte passieren können. »Wir trauern um Jessica Waldmüller«, stand da. Ihre Hände griffen zum Rotweinglas. Ja, da gab es welche, die um sie trauerten, das war schon richtig. Uschi, Conny, Silvia und die ganze Bagage. Und dieser hirnlose Steinmetz, Ehrmann. Und sicher auch ihre Eltern und ihre Schwester, ganz sicher. Traurig, die ganze Sache, sehr, sehr traurig. Nur sie selbst war beim besten Willen nicht traurig. Nicht im Geringsten, und es tat ihr nicht einmal leid. Sie dachte sogar insgeheim, dass es der Jessica ganz recht geschehen war. Böse Gedanken waren das, sehr böse, das wusste sie, und auch, dass das keinesfalls okay war. Aber so wurde man eben nach fünf Jahren absolut sinnloser Arbeit für einen Hungerlohn. So wurde man eben. Sie nahm wieder einen Schluck Rotwein. Dann griff sie zum Kleber. Sorgsam bestrich sie die Rückseite der Traueranzeige mit Uhu, ganz akribisch, damit es nur ja keine Wellen in dem dünnen Papier gäbe, und das konnte sie gut, denn ihre Feinmotorik war ganz hervorragend und wurde auch von ihren Kundinnen immer wieder gelobt. Nur, dass

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