Trauerweiden
Garten verlegten Schienen, wohl auf einem Privatgrundstück, wie der grüne Maschendrahtzaun im Hintergrund vermuten ließ.
»Das«, begann Heiko und wies auf die wie ein Heiligenbild hell angestrahlte Leinwand, »ist der Herr Kaufmann. Der hat all die Modelle in diesem Museum hier gebaut. In 50 Jahren harter Arbeit.«
Nun war es einmal an Lisa, »Hm« zu sagen.
Mit beinahe religiöser Ehrerbietung führte Heiko seine Freundin schließlich in den angrenzenden Raum, wo die Kaufmann-Modelle ausgestellt waren. Lisa betrachtete die detailreich gearbeiteten Zugmodelle, in denen hässliche Achtziger-Jahre-Puppenstubenpuppen als Fahrgäste saßen.
»Das Ganze ist absolut maßstabsgetreu. Und der hat alles selbst gebaut, alles. Jedes Rädchen, jedes Teil. Und das Beste daran ist: all diese Loks funktionieren. Mit Dampf.«
Lisa betrachtete etwas zweifelnd eines der schwarzen Bröckchen, die sie für Modellkohle gehalten hatte.
»Steinkohle«, erläuterte Heiko. »Die einzige Kohle, die so viel Brennenergie hat, dass man damit die Modelle antreiben kann. Und das Ding hier heißt Tender«, fachsimpelte er weiter und wies auf den Waggon, der die Steinkohlebröckchen geladen hatte.
Lisa nickte und lauschte interessiert. Imposant war das Ganze, ja, sehr interessant. Auch bei der zweiten und dritten Lok fand sie die Ausführungen ihres Freundes noch interessant. Die vierte ging auch noch. Erst bei der fünften, sechsten und siebten und allen weiteren Loks hätte sie die ganze Sache nun doch gerne etwas beschleunigt. Nach einer guten Dreiviertelstunde verließen sie den nur etwa 30 Quadratmeter großen Ausstellungsraum, Heiko mit einem glücklich-verklärten Strahlen im Gesicht und Lisa um einiges Wissen über den Eisenbahnmodellbau reicher. Erleichtert strebte die Kommissarin dem Ausgang zu, als Heiko sich nach rechts zur Treppe wandte und Anstalten machte, diese zu erklimmen. »Wir müssen noch in den zweiten Stock«, bestimmte er. Lisa seufzte und stapfte ergeben hinter Heiko her. Im zweiten Stock sah es zunächst ähnlich aus wie im ersten, bis auf den winzigen Unterschied, dass sich hier ein für die Größe des Raumes immenser Menschenpulk versammelt hatte. Lisa stellte sich auf die Zehenspitzen, um einen Blick auf die Attraktion im Zentrum der Menschenmenge erhaschen zu können, hörte aber lediglich gemurmelte hohenlohische Wortfetzen.
»Was ist denn hier los?«, wollte sie wissen.
Heiko reckte den Hals und erläuterte schließlich: »Ich werd verrückt! Der Kaufmann ist da. Höchstpersönlich.«
Die nächste halbe Stunde verbrachten sie damit, den Ausführungen des kleinen Mannes zu folgen, der bereitwillig alle mehr oder weniger intelligenten Fragen beantwortete. Nach ungefähr einer Viertelstunde hatten sie einen Platz ergattert, von dem aus sie die metallene Dampfkonstruktion, einen maßstabsgetreuen Nachbau der ersten deutschen Dampfmaschine, genauer betrachten konnten. Lisa beobachtete die Museumsbesucher, überwiegend Männer, die sämtlich mit offenen Mündern den Erläuterungen ihres Gurus lauschten. Endlich, nach weiteren fünf Minuten, entstiegen der Konstruktion kleine Dampfwölkchen, was einige der Besucher geradezu in Ekstase versetzte. Lisa seufzte tief und tiefer, als sie merkte, dass es wohl nicht leicht werden würde, Heiko wieder von hier fortzukriegen.
Eine geschlagene Stunde später machten sie eine Pause im Cafe Sohns, das eher an eine Wohnstube als an ein Cafe erinnerte. Gerade deshalb war es aber sehr gemütlich, und die beiden Kommissare taten sich an einer der beiden Tortensorten gütlich, die das kleine Cafe an diesem Samstag im Angebot hatte. Auch der Kaffee schmeckte durchaus gut und entschädigte Lisa für den ausgedehnten Männermuseumsbesuch. Grinsend dachte sie bei sich, dass es Heiko wohl heute Abend nicht anders ergehen würde als ihr gerade eben im Dampfmuseum Blaufelden.
»Und wohin kommt deine Freundin jetzt nochmal?«
Lisa verdrehte die Augen. Das hatte sie ihm schon hundertmal erklärt. »Wir gehen Salsa tanzen, nach Heilbronn, und du wirst mitkommen.«
Heiko seufzte. »Könnt ihr da nicht alleine hin? So mädelsabendmäßig?«, schlug er vor.
Lisa zog die Augenbrauen hoch. »Und wer soll dann fahren? Schließlich ist das eine Geburtstagsnachfeier, da werden die Eva und ich ja wohl mal was trinken dürfen. Und immerhin war ich heut Morgen auch in diesem Museum dabei.«
Heiko brummte und ergab sich in sein Schicksal. Er wusste, dass solche Abende gefährlich
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