Traum ohne Wiederkehr
als ihr heimliches Gebet so schnell erhört worden war.
Der Eintretende trug keinen Helm, wohl aber eine Uniform mit den Rangabzeichen eines höheren Offiziers, die sich nur wenig von den Uniformen unterschied, die Tamisan aus ihrem eigenen Ty-Kry kannte. Er hatte einen Lähmer auf sie gerichtet, und um seinen Hals hing eine Übersetzerbox.
»Ich komme in Frieden«, sagte er.
»Mit einer Waffe in der Hand?« entgegnete sie spöttisch.
Er schaute sie überrascht an. Offenbar hatte er eine Antwort in fremder Sprache erwartet. Sie dagegen hatte in Elementar erwidert, der zweiten Sprache aller Konföderationsplaneten.
»Wir haben Grund zur Annahme, daß Waffen im Umgang mit Ihren Leuten erforderlich sind. Ich bin Glandon Tork von Survey.«
»Ich bin Tamisan, ein Mund Olavas.« Ihre Hand tastete nach dem Kopf, und sie stellte befriedigt fest, daß sie trotz ihrer unbequemen Luftreise und der nicht gerade sanften Landung im Schiff die Krone nicht verloren hatte. Dann stellte sie die wichtige Frage:
»Wo ist der Held?«
»Ihr Begleiter?« Der Lähmer war nicht mehr auf sie gerichtet, und auch der Ton des Offiziers klang bei weitem nicht mehr so unfreundlich. »Wir haben ihn ebenfalls festgenommen. Aber weshalb nennen Sie ihn Held?«
»Weil er das ist. Er ist gekommen, um Ihren auserwählten Helden zu einem Gottesgericht zu fordern.«
»Ich verstehe. Wir sollen also einen sogenannten Helden auswählen, der gegen Ihren kämpft. Und was, genau, bezweckt dieses Gottesgericht?«
Sie beantwortete seine letzte Frage zuerst. »Es wird bestimmen, ob Sie das Land bekommen, das Sie beanspruchen.«
»Aber wir beanspruchen doch gar kein Land.«
»Das haben Sie aber bereits dadurch bekundet, daß Sie Ihr feuriges Schiff auf der Ebene vor Ty-Kry aufsetzten.«
»Ihr hier betrachtet demnach unsere Landung als eine Art Invasion? Und durch einen Zweikampf zwischen Ihrem und unserem Helden soll die Frage geklärt werden, wie es weitergeht? Wir wählen also einen der unsrigen aus …«
Tamisan unterbrach ihn. »Nein, nicht ganz. Der Mund Olavas erwählt ihn, oder vielmehr der Sand des Lesens. Deshalb bin ich gekommen, nur haben Sie mich nicht in Ehren empfangen, wie es hätte sein sollen.«
»Sie wählen also den Helden aus.«
»Wie ich schon sagte, durch das Lesen.«
»Lesen? Ich verstehe nicht, aber zweifellos werden Sie es mir noch genauer erklären. Und wo soll dieser Zweikampf stattfinden?«
Sie deutete in die Richtung, die sie für die Außenhülle des Schiffes hielt. »Auf dem Land, das von Ihnen beansprucht wird.«
»Logisch«, mußte er zugeben. Dann sprach er in die Luft. »Alles aufgenommen?« Da die Luft ihm nicht antwortete, genügte ihm offenbar das Schweigen.
»Das ist Sitte bei Ihnen, meine Dame, Mund von Olava. Aber da es bei uns nicht üblich ist, müssen wir uns erst besprechen. Wenn Sie erlauben, werden meine Offiziere und ich es jetzt tun.«
»Wie es Ihnen beliebt.« Es sah gar nicht so schlecht für sie aus. Der Mann hatte sich als Angehöriger von Survey zu erkennen gegeben, was bedeutete, daß er die nötige Ausbildung für den Umgang mit Fremdplanetariern hatte und sich möglichst nach ihren Sitten und Gebräuchen richten würde. Wenn die Besatzung sich mit dem gewünschten Zweikampf einverstanden erklärte, war sie vermutlich auch bereit, ihr die Auswahl des Helden zu überlassen. Sie konnte dann verlangen, jeden einzelnen Mann der Besatzung zu sehen und so Kas finden. Hatte sie das erst geschafft, waren sie in der Lage, den Traum abzubrechen.
Aber, mahnte Tamisan sich, rechne nicht mit einem so einfachen Ende dieses Abenteuers. Ein ungutes Gefühl peinigte ihr Unterbewußtsein. Irgendwie hatte es etwas mit diesen Todespfeilen und dem alten Raumschiffswrack zu tun. Das Volk von Ty-Kry, das scheinbar über keine nennenswerten Verteidigungsmöglichkeiten verfügte, hatte es fertiggebracht, seine Welt durch all die Jahrhunderte frei von Raumbesuchern zu halten. Als sie versuchte, aus den Erinnerungen der Tamisan dieser Welt zu schöpfen, um klar zu sehen, wie das möglich war, wiesen diese nur auf magische Kräfte hin, die sie bloß teilweise verstand. Natürlich war ihr bewußt, daß der Abschuß der vier Pfeile der erste Schritt war, diese Kräfte herbeizubeschwören. Ansonsten war das Ganze ähnlich den Kräften des Mundes, und die verstand sie ja nicht einmal, wenn sie selbst sie benutzte.
Plötzlich erkannte Tamisan, daß sie das alles doch wahrhaftig als Wirklichkeit akzeptierte, als gäbe es
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