Traum ohne Wiederkehr
solchen Bedrohungen erfolgreich fertig geworden war, verlieh ihnen ein ungeheures Selbstvertrauen. Sie waren überzeugt, daß dieselben Mittel wie damals ihnen auch jetzt zum Sieg verhelfen würden. Tamisan hatte keine Ahnung, was diese Mittel waren. Sie wußte nur, daß mit dem Schiff irgend etwas geschehen war, ehe man sie zur Königin schickte.
Hawarel hatten sie an Bord behalten, Kas war verschwunden – ohne Berührungskontakt zu den beiden war sie wahrhaftig eine Gefangene. Kas … Immer wieder beschäftigten sich ihre Gedanken mit der Tatsache, daß er nicht unter denen gewesen war, die ihre Hand auf ihre gelegt hatten. Lowald hatte ihr versichert, daß sie alle der Besatzung gesehen hatte.
Halt! Sie versuchte sich an jedes einzelne Wort zu erinnern. Was hatte er genau gesagt? »Sie haben die Hand eines jeden Mannes an Bord berührt.« Aber er hatte nicht gesagt, jedes Besatzungsmitglieds. Hatten sich vielleicht einige außerhalb des Schiffes aufgehalten? Alles, was sie über Raumreisen wußte, hatte sie aus Bändern erfahren, die allerdings auf alle Einzelheiten eingingen, um den Träumerinnen Hintergrundfakten und Inspiration zu bieten, die ihnen für die Schöpfung von Phantasiewelten von Nutzen sein konnten. Dieser Raumer war ein Surveyfahrzeug und hatte nach der Behauptung des Kapitäns ein Schwesterschiff im Orbit. Vielleicht befindet Kas sich dort?
Ach, wenn es nur ein wahrer Traum wäre … Tamisan lehnte ihren Kopf an den klammen Stein der Kerkermauer, riß ihn jedoch schnell zurück, als die Kälte in ihre Schultern drang. Träume …
Aufgeregt richtete sie sich auf. Angenommen, ich könnte in einem Traum träumen und Kas auf diese Weise finden? Wäre das möglich? Hm, ich kann es nur herausfinden, indem ich es ausprobiere . Sie hatte zwar keinen Stabilisator und auch keinen Booster, aber die waren hauptsächlich für Träume nötig, die mit anderen geteilt wurden. Allein schaffte sie es gewiß auch so. Aber wenn ich in einem Traum träume, kann ich dann Korrekturen vornehmen? Warum stelle ich mir Fragen, die ich doch erst beantworten kann, nachdem ich meinen Traum im Traum ausprobiert habe?
Sie streckte sich auf dem kalten Steinboden des Kerkers aus und schaltete entschlossen den Teil ihres Geistes aus, der sich der gegenwärtigen Unbequemlichkeiten ihres Körpers bewußt war. Sie atmete tief und regelmäßig und konzentrierte sich auf die Selbsthypnose, die die Tür zu ihren Träumen war. Ihr einziger Richtpunkt war Kas, und zwar nur der Kas, wie er in der echten Welt aussah. So wenig …
Sie versank. Sie konnte also noch träumen.
Wände erhoben sich um sie, aber sie waren aus einem durchsichtigen Material, durch das angenehme, weiche Farben leuchteten. Es konnte kein Raumschiff sein. Dann verschwamm die Szene. Schnell schob Tamisan den Zweifel von sich, der möglicherweise ihr Traumgewebe zerreißen mochte. Die Wände wurden fester und stabil. Sie stand in einem Korridor und unmittelbar vor ihr war eine Tür.
Sie wünschte sich, den Raum dahinter zu sehen, und sofort, wie es in einem richtigen Traum üblich war, befand sie sich in diesem Zimmer. Hier waren die Wände mit demselben schimmernden Schleiergespinst verhangen wie in ihren Gemächern in Starrex’ Himmelsturm. Auf ihrer Suche nach Kas war sie in ihre eigene Welt zurückgekehrt! Aber sie hielt den Traum, weil sie wissen wollte, wieso ihr Richtpunkt sie hierhergeführt hatte. Hatte sie sich getäuscht und Kas sie in ihrem Traum überhaupt nicht begleitet? Doch wenn das so war, weshalb steckten Starrex und sie dann in dem anderen Traum fest?
Niemand befand sich in diesem Zimmer, doch etwas zog sie weiter. Sie suchte Kas, und etwas versicherte ihr, daß er hier war. Sie kam in ein zweites Zimmer – und zuckte zurück. Sie kannte es gut, es war das Zimmer einer Träumerin. Kas stand an einer unbesetzten Liege, und daneben befand sich eine zweite, auf der jemand lag.
Die Träumerin trug eine Übertragungskrone, aber kein Mitträumer ruhte auf der anderen Liege, sondern eine metallene Box, an die die Übertragungskabel angeschlossen waren. Tamisan hatte erwartet, sich selbst zu sehen. Statt dessen lag eine der verschlossenen Träumerinnen vor ihr, das war an der Leere ihres Gesichts unverkennbar. Die Traumkraft wurde hier von einer Egoträumerin erschaffen und offenbar an die Box übermittelt.
Aus diesen Fakten folgerte Tamisan den Rest. Das hier war nicht das Traumzimmer, in dem sie sich in den Schlaf geträumt hatte, sondern eine
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