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Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition)

Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition)

Titel: Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Huber
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ich auch geschafft. Sie waren nämlich alt.“ Doch die Frauen seien geflohen und nie wiedergekommen, erzählt sie fast bedauernd, aber auch ein wenig stolz. „Und wenn sie jemals versuchen würden zurückzukommen, ich würde sie umbringen, jederzeit, ich schwöre, das würde ich tun.“
    Neben der kulturspezifischen Reaktion und der individuellen menschlichen Auswertung der Erfahrung – hier zum Beispiel dem Hass auf alle Serben – gibt es viele Gemeinsamkeiten dieser Posttraumatischen Belastungsstörung mit vielen anderen überall auf der Welt. Die amerikanische Psychotherapeutin und Wissenschaftlerin Judith Herman hatte bereits in den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts dieses Prinzip erkannt: Zwischen Kambodscha-Flüchtlingen und Vietnam-Veteranen, Inzest-Überlebenden und verstörten Polizisten „nach Schusswaffengebrauch“, zwischen Vergewaltigungs- und Entführungsopfern, Überlebenden von Banküberfällen und Kriegseinsätzen gab und gibt es entscheidende Gemeinsamkeiten: Eine Mischung aus den drei entscheidenden Symptombereichen, die hier noch einmal zusammengefasst werden:
     
Konstriktion – also Vermeidung aller Reize, die mit dem Trauma zu tun haben, und Einengung der Vitalität und des Verhaltens;
Intrusion – also Wiedererleben von „bits and pieces“, von kleinen abgespaltenen Teilen der traumatischen Erinnerung, bis hin zu vollen „Flashbacks“, also intensiven Wiedererlebenssequenzen, deren Intensität das aktuelle Wahrnehmen überdeckt und eine „doppelte Wahrnehmung“ oder sogar ein vollkommenes „Wegtreten in die Erinnerung“ erzwingt; und
Übererregung, also übermäßige Aufmerksamkeit, Schreckhaftigkeit und „hysterische Reaktionen“; der Organismus reagiert schon auf kleine Reize (die an das Trauma erinnern) wie auf eine Vernichtungsdrohung.
    Diese Reaktionen können sofort nach dem traumatischen Stress auftauchen – oder sie können, wie im Beispiel von Zene, Monate oder sogar Jahre später erst „ausbrechen“. Typisch für Inzestüberlebende ist es zum Beispiel, dass ihre eigenen Erinnerungen sie „heimsuchen“, wenn ihre eigene kleine Tochter in dem Alter ist, in dem sie selbst die sexuelle Gewalt erlebt haben.
    Traumareaktionen
    Auf schreckliche Ereignisse, die eine seelische oder körperliche Todesnäheerfahrung bedeuten und die das Gehirn zu Abspaltungen des Unerträglichen ins Traumagedächtnis zwingen (weil die Amygdala nachhaltigen „Feueralarm“ gegeben hat, siehe Kapitel 1 und 2), reagieren Menschen sehr verschieden. So ist etwa die Amnesierate sehr unterschiedlich: Nur vier Prozent der Überlebenden von schweren Unglücken haben eine vollkommene, weitere vier Prozent eine teilweise Anmesie in der Zeit danach, können sich also nicht oder nur lückenhaft an das Geschehen erinnern. Bei Vergewaltigungsopfern sind es aber mindestens 50 Prozent, und ein gutes Viertel der Soldaten, die unmittelbar in schwere Kampfhandlungen verwickelt wurden, sind hinterher für das Geschehen ganz oder teilweise amnestisch (s. u.a. Elliott, 1997).
    Hier eine Liste von Merkmalen, die es Menschen besonders schwer machen, ein Trauma zu integrieren, also mit größerer Wahrscheinlichkeit eine chronische PTSD auslösen. Jeder einzelne Punkt ist in Studien gut untersucht worden.
Ereignisse, nach denen besonders schwere Traumareaktionen zu erwarten sind: 
     
dauern sehr lange;
wiederholen sich häufig;
lassen das Opfer mit schwereren körperlichen Verletzungen zurück;
sind vom Opfer schwerer zu verstehen;
beinhalten zwischenmenschliche Gewalt;
der Täter ist ein nahestehender Mensch;
das Opfer mochte (mag) den Täter;
das Opfer fühlt sich mitschuldig;
die Persönlichkeit ist noch nicht gefestigt oder gestört;
beinhalten sexuelle Gewalt;
beinhalten sadistische Folter;
haben mehrere Täter das Opfer zugerichtet;
hatte das Opfer starke Dissoziationen;
hat niemand dem Opfer unmittelbar danach beigestanden;
hat niemand nach der Tat darüber mit dem Opfer gesprochen.
    Diese wesentlichen Bedingungen, die dafür sorgen, dass ein Trauma schwer zu verarbeiten ist, sollten im Einzelnen betrachtet – und von Klinikern ggf. systematisch diagnostisch erfragt werden:
    1. Es ist offensichtlich, dass ein länger dauerndes Ereignis potenziell einen schwereren Schaden anrichtet als eines, das innerhalb von wenigen Sekunden vorbei ist. So ist eine Vergewaltigungssituation, die über ein ganzes Wochenende dauert, sehr viel schwerer zu verkraften als eine, die nur kurz dauert. Dennoch ist der Schaden

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