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Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition)

Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition)

Titel: Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Huber
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mobile von Erinnerungen und Phantasien. Wie sich unschwer vorstellen lässt, ist diese Dynamik zunächst ausgesprochen hinderlich, wenn es darum geht, das ursprüngliche Trauma zu integrieren. Über die Arbeit mit Täterintrojekten gibt es mehr Informationen in Band 2.
    Hinzu kommt der Drang zur Reinszenierung der sadistischen Gewalt. Meiner Beobachtung nach handelt es sich bei den meisten sado-masochistischen Ritualen in der „SM-Szene“ um Versuche, in kontrollierter Form erlittene Gewaltszenarien durch Reinszenierung zu verarbeiten. Bislang hatte ich nicht den Eindruck, dass dies den Betroffenen erfolgreich gelingt – denn eine Reinszenierung ist keine Verarbeitung. Wie sagte schon Pierre Janet vor rund 114 Jahren: „Wenn man ein Trauma nicht realisiert, ist man gezwungen, es wiederzuerleben oder zu reinszenieren.“ (Janet, 1889)
    12.  Mehrere Täter sind natürlich schlimmer als einer. Eine Gruppenvergewaltigung ist meist schwerer zu verkraften als dieselbe Form von Gewalt durch einen Täter. Man ist noch schneller in einer Freeze-Reaktion, da es weder eine Möglichkeit zu entkommen gibt noch eine Chance, die Angreifer niederzuringen (No Fight – No Flight). Auch die posttraumatische Generalisierung von konstriktiven und intrusiven Elementen ist hier stärker: „Alle Männer sind Täter“, „Jeder Mann kann mich vergewaltigen“, „Alle Serben sind Teufel“. Viele Opfer von mehreren Tätern, besonders wenn die Taten im Leben über längere Zeit hinweg stattgefunden haben, bekommen das Gefühl: „Sie können mich jederzeit wieder kriegen.“ Der tief sitzende Eindruck, überwältigt worden zu sein von allen Seiten, und das Vernichtungsgefühl sind meist stärker, die Konsequenzen verheerender.
    13. Je stärker jemand während des Traumas (peritraumatisch) dissoziiert (Fullerton et al., 2000; Marmar et al., 1998) und je stärker die chronische Dissoziation ist, desto schwerer ist das Trauma zu integrieren (siehe Kapitel 1, 2 und 5).
    14. Wenn niemand hilft, das Trauma zu verstehen, dann wird es in mancher Hinsicht nicht realisiert, also nicht „wahr“. Beispiel:
    Ein 16-jähriges Mädchen wird bei einer Party von mehreren jungen Männern vergewaltigt. Bevor einer der Täter sie mit seinem Wagen zu Hause absetzt, droht er ihr: „Wenn du etwas sagst, machen wir dich kalt, wir wissen ja, wo du wohnst.“ Das Mädchen schleicht sich in sein Zimmer, zieht das zerrissene Kleid aus und versteckt es, stellt sich eine halbe Stunde unter die Dusche, verkriecht sich ins Bett und schläft erschöpft ein. Den bohrenden Fragen der Eltern am nächsten Morgen weicht sie aus. In der Folgezeit bemerken die Eltern, dass das Mädchen sich oft in seinem Zimmer einschließt, heftige Unterleibskrämpfe hat und sich in der Schule krank meldet. Nach zwei Wochen geht sie wieder in die Schule; nach weiteren zwei Wochen hat sie nur noch schemenhafte Erinnerungen an die Party. Dass sie dort vergewaltigt wurde, erscheint ihr wie ein Traum. Nach weiteren Wochen hat sie das ganze Ereignis so weit weggeschoben, dass es ihr vorkommt, als wäre es nie passiert. Ab und zu trifft sie die Jungen wieder, und abgesehen von Angstgefühlen bekommt sie keine weiteren Erinnerungen. Schließlich glaubt sie selbst, was einer der jungen Männer ihr ins Ohr geflüstert hat: „Komm, stell dich nicht so an, das war doch gar nichts. Und außerdem hast du es doch gewollt!“ Wenn nur ihre Unterleibskrämpfe nicht wären, die bei jeder Menstruation schlimmer zu werden scheinen! Wenn nur ihre Albträume nicht wären, ihre Schreckhaftigkeit, wenn ihr neuer Freund sie von hinten umarmt – dann, so glaubt sie, wäre alles in Ordnung ...
    15. Keine Hilfe zu bekommen ist schlimm. Gar nicht darüber sprechen zu können oder zu dürfen  ist am schlimmsten. Beispiel:
    Die zehnjährige Lea wird in jeder Woche etwa zweimal abends vom Vater „ins Bett gebracht“. Seit vielen Jahren. Angefangen hat es mit Küsschen und Schmusen und Geschichten vorlesen. Dann begann er sie überall zu streicheln, seinen Finger in ihre Scheide und den Po zu stecken, sich zwischen ihren Oberschenkeln zu befriedigen. Vor Kurzem hat er das erste Mal seinen Penis „da unten “ in sie hineingesteckt. Es hat fürchterlich geblutet, aber sie hat sich angewöhnt, ganz aus ihrem Körper herauszugehen, daher hat es auch nicht wehgetan. Sie träumt sich innerlich immer öfter weg, sobald der Vater mit ihr das Kinderzimmer betritt. Niemand schien sich über das blutige Laken gewundert

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