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Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition)

Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition)

Titel: Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Huber
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desorganisierten Bindungsstil haben. Mit anderen Worten: Trauma, Verlust, Misshandlung und desorganisierte Bindungserfahrung werden von Generation zu Generation weitergegeben.
    Ob durch eigene Misshandlungserfahrung oder durch die Weitergabe von Schrecken auf direktem oder indirektem (Übertragungs-)Weg:
    Desorientierte Kinder bekommen jeweils so viel Angst „mit“, dass
     
sie selbst mit Bedrohungssituationen schlechter fertig werden,
ihre Stressresistenz geringer ist,
ihre sozialen Probleme größer,
ihr Selbstwertgefühl kleiner,
das Risiko für schwere psychische Probleme bis hin zu Persönlichkeitsstörungen und Suizidalität erhöht ist.
    (Jacobvitz & Hazen, 1999; Van Ijzendoorn & Bakermans-Kranenburg, 1996)
     
Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit bei ihnen größer, eine dissoziative Störung zu entwickeln. Denn wenn Kinder über eine gute Dissoziationsfähigkeit verfügen, werden sie diesen Abwehrmechanismus einzusetzen lernen, um mit den chaotischen und widersprüchlichen häuslichen Situationen fertig zu werden. Und zwar, indem sie diese entweder sofort „vergessen“, also häufige Amnesien haben, oder indem sie jeweils für eine der überwältigenden oder chaotischen oder erschreckenden oder widersprüchlichen Situationen bestimmte Persönlichkeits-Zustände oder sogar, wenn sie schwer misshandelt werden, mehrere getrennte Persönlichkeits-Anteile entwickeln. Bei Letzterem kann eine multiple Persönlichkeit entstehen (Liotti, 1992 etc.; Carlson, 1998; Huber, 1995; Ogawa et al., 1997).
    Entwicklungstraumatologie
    Im letzten Jahrzehnt stellte die Bindungsforschung diese und weitere wichtige Erkenntnisse zur Verfügung, welche sich mit der entstehenden Disziplin der Entwicklungstraumatologie sehr gut verflechten lassen. Nun zu einigen Ergebnissen aus der letzteren Disziplin:
    Die grundsätzliche Fähigkeit, sich an einen anderen Menschen zu binden, ist jedem Kind angeboren. Man nennt dies das Bindungssystem, und es ist im Gehirn sozusagen als „Hardware“ vorhanden. Doch die Erfahrungen, die das kleine Kind macht, wirken sich direkt darauf aus, wie dieses basale System sich ausdifferenziert und dauerhaft organisiert.
    Wie jede Form von Erfahrung führt auch die zwischenmenschliche Bindungserfahrung beim kleinen Kind zur Aktivierung von Nervenzellen im Gehirn. Diese sich in ein immer komplexer werdendes Geflecht verwandelnden neuronalen Strukturen reagieren unmittelbar auf Ereignisse der Außenwelt ebenso wie auf innerlich auftauchende Bilder, die das Gehirn selbst schafft (etwa wenn sich das älter werdende Kind an vergangene Ereignisse erinnert).
    Die Einheit, die wir Psyche nennen, können wir am besten verstehen als Muster im Fluss von Energie und Information. Energie und Information können innerhalb eines Gehirns fließen oder zwischen mehreren Gehirnen. Die Art und Weise, wie die Energie fließt, hinterlässt im Gehirn Spuren, die wir später „Erfahrungen“ nennen.
    Dies ist kein pseudowissenschaftliches Gerede aus der New-Age-Ecke, sondern solide neurowissenschaftliche Erkenntnis. Es gibt in den letzten Jahren eine zunehmende Konvergenz von Ergebnissen aus den Neurowissenschaften und den Verhaltenswissenschaften der menschlichen Entwicklung, die uns ein tieferes Verständnis der menschlichen Psyche erlauben, als es jedes der einzelnen Forschungsgebiete allein zustande bringen kann. Das vielleicht wichtigste dieser gemeinsamen Ergebnisse lautet:
    Frühe Beziehung steuert Hirnentwicklung.
    „Wenn ein Kind verschiedene suboptimale“, also weniger gute „Bindungserfahrungen macht, kann seine Psyche nicht als gut integriertes System Funktionieren lernen.“ Diesen zusammenfassenden Satz hat Daniel Siegel vom Zentrum für Humanentwicklung der medizinischen Fakultät an der angesehenen UCLA in Los Angeles in seinen entsprechenden Überblicksartikel hineingeschrieben (Siegel, 2001).
    Er erklärt diese ebenso einfache wie sensationelle Schlussfolgerung – sie bedeutet schließlich nichts anderes als genau dies: frühe Beziehung steuert Gehirnentwicklung – unter anderem so: „Wir wissen heute, dass sowohl die genetische Information selbst als auch die Aktivität der Nervenzellen diejenigen Gene steuert und aktiviert, die ihrerseits solche Proteine herstellen, die für den Aufbau der Hirnstruktur notwendig sind.“ Bis in die genetische Abfolge der Steuerung von Eiweißproduktion und neuronalen Netzwerken hinein kann man heute nachweisen, wie sich gute oder schlechte frühe Bindungserfahrungen

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