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Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition)

Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition)

Titel: Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Huber
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Handelnden beziehen. Sie lassen Geschichten zu einer gemeinsamen Geschichte werden. Auch in Therapien – jedenfalls den längeren – gibt es eine „gemeinsame Geschichte“: „Wissen Sie noch, wie Sie damals zu mir kamen und wie es Ihnen damals ging? Und wie ich erst mit Unverständnis reagiert habe? Was war es noch, was geholfen hat?“ sind wichtige Fragen, die eine KlientIn dabei unterstützen können, ihre eigene Entwicklung zu verstehen.
    5. Emotionale Kommunikation
    Glücksmomente voller Vitalität miteinander zu teilen scheint als Erstes von entscheidender Bedeutung dafür zu sein, dass ein kleines Kind eine positive Einstellung zu sich selbst und anderen gewinnt. Gleichbedeutend aber ist es, wenn der/die Erwachsene in der Lage ist, in unbehaglichen und unglücklichen Augenblicken des Kindes den Kontakt zu ihm zu halten. Dies hilft ihm, aus solchen Zuständen wieder herauszukommen und sich im Leid selbst zu trösten. Und als Drittes sollten Erwachsene aufmerksam dafür sein, wann ein Kind ihre Nähe braucht und wann es allein gelassen werden will. Respekt und Achtsamkeit für sich ändernde Bedürfnisse sind ein wichtiger Teil einer emotional aufeinander eingestimmten Kommunikation.
    Auch eine gute PsychotherapeutIn (als spätere Bindungsperson, die der früh traumatisierten KlientIn noch einmal, oder zum ersten Mal, eine sichere Bindung anbietet) verändert ihr Verhalten mit der Zeit ganz bewusst: Anfangs zeigt sie sich vor allem herzlich und warm, tröstend, achtsam, leise und behutsam. Mit der Zeit fördert und „nährt“ sie nicht nur, sondern fordert die KlientIn auch immer mehr. Zum Beispiel – was anfangs zu heikel wäre, weil es die frühe Verlassenheitserfahrung wieder aktiviert – fordert die TherapeutIn mit der Zeit die KlientIn auch zu Konfliktgesprächen heraus, um die Möglichkeiten der aktiven Beziehungsgestaltung auf Seiten der KlientIn zu verbessern und ihr darin ein „Sparringspartner“ zu sein. Und schließlich gegen Ende der Therapie lässt sie ab und zu durchscheinen, dass sie – die TherapeutIn – selbst durchaus ein Mensch mit Fehlern und Schwächen ist. Dies hilft der KlientIn, von der Idealisierung der TherapeutIn wegzukommen und sich selbst und die andere selbstbewusst „in Augenhöhe“ zu sehen.
    Dies alles klingt sowohl praktikabel als auch philosophisch – und ist es auch: Begegnung ist heilsam, könnte man all diese Vorschläge zusammenfassend kommentieren.
    Ob wir die traumatisierten Kinder als Kinder oder als Jugendliche oder Erwachsene sehen: Ihnen auf achtsame und respektvolle Weise zu begegnen und ihnen dabei zu helfen, sich selbst zu verstehen und sich auf andere Menschen einzulassen, wird die entscheidende Hilfe für sie sein. Denn eines hat die Bindungsforschung als Trost für uns alle bereit:
    Auch unsicher und desorientiert gebundene Menschen können im Laufe des Lebens eine „sichere Bindung“ lernen. Allerdings kommt dies nicht von allein. Sondern nur, wenn sie dies gezielt in Beziehungen oder in einer Psychotherapie lernen. Dass es überhaupt erlernbar ist, dass frühe Traumata integrierbar sind und desolate Bindungserfahrungen sich in gute, sichere Beziehungsfähigkeit verwandeln können – das ist die gute Nachricht.

Kapitel 5:
    Welche Diagnosen kann man nach Traumata bekommen, und was taugen sie?
    „Die Ergebnisse der neurobiologischen Stressforschung, ihre Hypothesen über die inadäquate Prozessualisierung traumatischer Gedächtnisinhalte und die neurophysiologischen und biochemischen Antworten des Gehirns auf das Traumaereignis lassen viele uns lieb gewonnene Axiome [Grundannahmen] tiefenpsychologischer Schulen über Neurosenentstehung in neuem Licht erscheinen ... So scheint nichts mehr so zu sein, wie es einmal war, kaum ein Stein des Freud’schen metapsychologischen Gebäudes ruht passgenau auf dem anderen – auch hier ist Postmoderne angesagt.“
    – Jochen Peichl, 2001
    Traumatisiert worden zu sein ist keine Störung oder Krankheit. Gewalt oder andere körperlich und/oder seelisch lebensbedrohliche Situationen durchlitten zu haben hat zunächst einmal gar nichts damit zu tun, ob man gesund oder krank ist.
    Doch nicht selten bleiben körperliche und/oder seelische Schäden nach Gewalteinwirkungen zurück. Und das kann schon nach einem einmaligen extrem stressreichen Ereignis bei einer ansonsten kerngesunden Persönlichkeit der Fall sein, wie die seit 1991 im Diagnosehandbuch ICD-10 aufgenommene „Reaktion auf schwere Belastungen und

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