Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition)
hat, die Diagnose Posttraumatische Belastungsstörung ins Diagnosehandbuch aufzunehmen, und zwar so radikal, wie dies geschah: Unter Umständen sollte ein einziges Ereignis solch schwerwiegende Folgen haben können? Tatsächlich brauchte es bis Ende der 70er-Jahre des 20. Jahrhunderts, bis ein gemeinsames Bündel von Symptomen der PTSD, durch zahlreiche Doppelblindstudien überprüft, als von allen anderen Symptombündeln differenzierbar festgestellt war. Vor allem Judith Herman (1992, deutsch 1996 u. 2003) ist dies zu verdanken. Sie hat unter anderem in ihrem Buch „Die Narben der Gewalt“ eine Art Synopse hergestellt und konnte zeigen, dass die Beschwerden von vielen Inzestüberlebenden und Vergewaltigungsopfern so verschieden nicht sind von denen, die Soldaten nach Kampfeinsätzen oder Folteropfer, Kriegsflüchtlinge oder Überlebende von Katastrophen zeigen. Hermans Schüler Bessel van der Kolk führte, teilweise mit ihr zusammen, ihre Arbeiten dann am Harvard-Forschungsinstitut weiter und konnte mit seiner Arbeitsgruppe bahnbrechende neurophysiologische Beweisführungen erbringen: Ja, ein Trauma kann charakteristische Folgen für Körper und Seele haben, die sich von den Folgen anderer Lebensereignisse unterscheiden (siehe van der Kolk et al., 2000).
In diesem Buch werden vor allem die Folgen von chronischen Traumatisierungen betrachtet. Und da gibt es ganz erhebliche Folgen, sowohl körperlich als auch seelisch als auch für das soziale Leben, die in unterschiedlichen Diagnosen gebündelt werden können.
Körperliche Schäden: Leitfaden für Helfer
Was die körperlichen Schäden angeht, so sind die Psychotraumatologen nach wie vor eifrig bemüht, ihren ärztlichen KollegInnnen die Zusammenhänge „zwischen Trauma und Soma“ deutlich zu machen, um traumatisierten KlientInnen eine Odyssee durch das organmedizinische Gesundheitswesen zu ersparen. Häufig nämlich hilft es, die körperliche Dimension der Schäden zwar sorgfältig zu beachten und zu versorgen, doch parallel dazu die seelischen Zusammenhänge zu beachten und gegebenenfalls psychotherapeutisch zu behandeln.
Zum einen kann eine in Psychotraumatologie geschulte ÄrztIn unter Umständen Misshandlungen an Kindern und Frauen früher und besser erkennen, etwa wenn diese immer wieder mit „unerklärlichen“ Verletzungen oder Unfällen („Den Kopf am Schrank gestoßen“ – „Die Treppe hinuntergefallen“ etc.) in die Praxis oder Ambulanz kommen. Sowohl Fremd- als auch Selbstverletzungen von Unfällen zu unterscheiden erfordert eine spezielle Fortbildung, die leider nicht alle Ärzte haben. Zum anderen müssen Menschen nach Gewalterfahrungen oder Katastrophen nicht nur körperlich versorgt werden, sondern brauchen auch oft seelische Nachbetreuung. Leider werden nach wie vor viele Berufsgruppen nicht ausreichend über die Folgen von Traumata informiert. So fehlt z. B. ein Hinweis bei den somatisch orientierten Ärzten, dass die Heilung von Wunden nach Traumata unter drei Bedingungen erheblich besser fortschreitet:
Wenn die Betroffenen sich als Opfer der Tat fühlen können und nicht (was viele, nicht nur die tatsächlich Schuldigen, aufgrund einer ersten Verzerrung glauben) sich mitschuldig oder gar allein schuldig fühlen; infolgedessen sollte Psychoedukation, also die Aufklärung über Trauma und die Folgen ein wichtiger Bestandteil jeder unmittelbaren Erstversorgung sein. Dabei scheint es zwei Möglichkeiten zu geben, sich als Helfer möglichst wenig hilfreich zu erweisen: Wenn man nämlich entweder so tut, als wäre gar nichts geschehen oder als dürfe es der traumatisierten Person nichts ausmachen („Na komm schon, stell dich nicht so an!“ – „Indianer kennt keinen Schmerz“) – oder so zu tun, als sei das Trauma bestimmt die ultimative Katastrophe („Darunter wirst du ein Leben lang leiden.“ – „So etwas verwindet man nie.“) (Possemeyer, 2002). Auch die im sogenannten Debriefing vorkommende Notwendigkeit, unmittelbar nach dem Ereignis auch über die eigenen Gefühle sprechen zu sollen, hat sich bei manchen Menschen als eher schädlich denn nützlich erwiesen. Stattdessen ist ein sorgfältig akzeptierendes und respektvolles Umgehen mit der/dem Betroffenen am besten: Lassen Sie sie/ihn in Ruhe, wenn sie/er das will, aber bleiben Sie aufmerksam und bieten Sie sich immer wieder an, lautet die Devise (in Band 2 werde ich darauf näher eingehen).
Wenn auch seelisch der Stabilisierung sprozess und die Regeneration nach dem
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