Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition)
vernachlässigt wurde, kann einen solchen wichtigen Schritt hin zu einer vertrauensvollen Beziehung manchmal überhaupt nicht mehr hinbekommen. HelferInnen sollten dann nicht verzagen oder gar sich selbst die Schuld geben, sondern auf pragmatische Weise versuchen, die häufig wichtigsten Störungsbereiche anzugehen. Meist ist das Hauptproblem die Affektregulation, also der Umgang mit oft extremen Gefühls- und Spannungszuständen; außerdem gilt es, für Selbstverletzungen und antisoziales Verhalten bessere Alternativen zu finden und wesentliche Unterstützung zu geben in den Bereichen soziale Integration, Körperwahrnehmung und -pflege, Tag-Nacht-Rhythmus, Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit.
Gelingt es, traumatisierten Kindern früh zu helfen, ist sozusagen noch mehr „drin“. Allerdings: Ein früh durch Verluste, Vernachlässigung oder Misshandlung traumatisiertes Kind benötigt teilweise eine Unterstützung, die sich von der für nicht traumatisierte Kinder unterscheidet.
Empfehlungen für die Arbeit mit traumatisierten Kindern
Hier einige Empfehlungen für Menschen, die mit traumatisierten Kindern arbeiten (wollen), es sind vor allem sehr einfache Hinweise (u.a. nach Perry, 2002):
Das Kind umsorgen: Viele, vor allem kleine Kinder brauchen es, gehalten, gewiegt und geherzt zu werden. Allerdings nur, wenn sie dies selbst wollen!
„Seltsames“ und abweichendes Verhalten verstehen: Wenn Kinder z. B. Lebensmittel horten, kann man dies als „stehlen“ ahnden – man kann es aber auch (besser) als häufiges Ergebnis von Hunger in der Kindheit betrachten.
Ein misshandeltes Kind sollte nicht nach seinem chronologischen, sondern nach seinem emotionalen Alter behandelt werden. Viele traumatisierte Kinder regredieren oder haben kleine innere Selbst-Anteile, die mit Außenstehenden Kontakt aufnehmen, die getröstet, gehalten, liebevoll angenommen werden wollen. Wenn möglich, sollten die Bezugspersonen also dem Kind einerseits helfen, diese kleineren Anteile zu trösten, andererseits – und dies gilt insbesondere für abgespaltene Persönlichkeitsanteile des Kindes – helfen, sie zu verstehen und zu integrieren (siehe auch Putnam, 1997; Silberg, 1996).
Konsequent, vorhersagbar und wiederholend sollte das Verhalten des Erwachsenen sein. Denn viele traumatisierte Kinder mögen keine Überraschungen, nicht einmal positive, und reagieren empfindlich auf Veränderungen im Tagesablauf sowie auf chaotische und unübersichtliche Situationen.
Angemessenes soziales Verhalten muss oft buchstäblich vorgelebt und dabei dem Kind erklärt werden, warum man etwas tut: „Ich schreibe jetzt einen Einkaufszettel, weil ...“.
Das misshandelte Kind zum „Co-Trainer“ machen und dabei ein ähnliches Verhalten wählen, wie es dem Kind schwerfällt. Zum Beispiel: „Beide Mannschaften wollen immer nur die Besten als Mitspieler haben. Wenn du einer Mannschaft alle Guten zuteilst, werden sie ziemlich sauer sein. Also ...“
Häufig hilft einfach nur ruhiges Zuhören und Sprechen und mit einem Kind gemeinsam zu entspannen. Dabei bestimmte Themen behandeln wie:
1. Alle Gefühle sind in Ordnung.
2. Wie kann ich mich verhalten, wenn ich wütend oder ängstlich oder traurig bin?
3. Wie kann ich herausfinden, was andere Menschen fühlen?
4. Wie kann ich Worte finden für meine eigenen Gefühle?
Dabei wird es für den Erwachsenen wichtig sein, realistische Erwartungen auf die Kinder zu richten. Daher hilft es oft, früh herauszufinden, auf welchen Gebieten ein Kind Begabungen hat und auf welchen seine Fortschritte eher langsam sein werden.
Geduld ist sicher eine wesentliche Voraussetzung der Arbeit mit misshandelten Kindern. Diese Geduld wird immer wieder überfordert werden, das ist ganz normal. Supervision ist daher häufig unerlässlich; manchmal sogar eine eigene (weitere) Psychotherapie, um mit den unbewältigten Problemen fertig zu werden, die das Kind im Erwachsenen anstößt (siehe auch Stamm, 2002).
Eigene Ressourcen kennen, wiederfinden und pflegen ist nicht nur für die Kinder, sondern auch und gerade für die Erwachsenen wichtig! Dazu gehört auch, Entspannung auf Gebieten zu suchen, die gar nichts mit der Arbeit und der Tätigkeit für das Kind zu tun haben.
Eine sichere Bindung fördern
Falls Sie es auch komplexer mögen: Daniel Siegel (2001) unterscheidet fünf grundlegende Elemente, mit deren Hilfe Bezugspersonen eine sichere Bindung in ihren schutzbefohlenen Kindern fördern können. Wenn Sie diese Elemente
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