Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition)
Anpassungsstörung“ (F 43) zeigt. Hier wird davon ausgegangen, dass „das belastende Ereignis ... der primäre und ausschlaggebende Kausalfaktor (ist); die Störung wäre ohne seine Einwirkung nicht entstanden“ (Dilling et al., 1993, S. 155). Inhaltlich werden vor allem das quälende Wiedererleben belastender Elemente aus dem Trauma, Vermeidungsreaktionen sowie Symptome von Übererregung (Schreckhaftigkeit, Wut) beschrieben – eben die drei Bereiche der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTSD). Um diese Diagnose jedoch voll zu erfüllen, muss die Reaktion mehr als vier Wochen andauern, also schon chronisch geworden sein. Im DSM-IV wiederum gibt es die Akute Belastungsstörung, hier werden sehr differenziert vor allem die dissoziativen Phänomene betrachtet. Mindestens drei dissoziative Symptome wie Depersonalisierung, Derealisierung, dissoziative Amnesie, Gefühl der emotionalen Taubheit oder des Losgelöstseins sind zur Erfüllung der Kriterien für diese Diagnose erforderlich. Schon wenn die Symptome mehr als zwei Tage anhalten, kann die Diagnose gestellt werden (siehe auch Frommberger et. al., 1999).
Meist aber warten TherapeutInnen ab, bevor sie eine klinisch relevante Diagnose stellen: Dauern die Symptome mehr als vier Wochen an? Unter Umständen sogar mehr als drei Monate? Dann könnten die Kriterien der Posttraumatischen Belastungsstörung bzw. der chronischen Posttraumatischen Belastungsstörung erfüllt sein.
Symptome der Posttraumatischen Belastungsstörung
Hier die Symptome, welche die chronischen Folgen nach Trauma kennzeichnen:
Die Posttraumatische Belastungsstörung:
Wiedererleben (von Teilen) der belastenden Erinnerung in Form von Gedanken, Albträumen, Flashbacks, Pseudohalluzinationen ...;
Bei Kindern auch: Nachspielen der belastenden Szenen, ohne dass Erleichterung eintritt; viele Albträume mit stark ängstigenden Inhalten, das Kind handelt wieder wie im Trauma ...;
Starke gefühlsmäßige und körperliche Belastungssymptome bei allem, was an das Trauma erinnert;
Anhaltende Vermeidung von Reizen, die an das Trauma erinnern;
Unfähigkeit, wichtige Aspekte des Traumas zu erinnern (Amnesie);
Gefühl der Losgelöstheit von der Umgebung (Derealisation) bzw. vom Körper (Depersonalisierung) bis hin zu Identitätsstörungen;
Gefühl der Entfremdung von anderen; Unfähigkeit, zärtliche Gefühle zu empfinden; Gefühl, eine eingeschränkte Zukunft zu haben; vermindertes Interesse am sozialen Leben; Verlust von Spiritualität ...;
Erhöhte Erregung: Schlafstörungen, Reizbarkeit, Konzentrationsstörungen, Hypervigilanz, Schreckreaktionen ...
Bemerkenswert ist, dass die beiden großen Diagnosehandbücher – das ICD-10 und das DSM-IV (Dilling et al., 1993; American Psychiatric Association, 1994) – die PTSD unterschiedlich eingruppieren: Das ICD-10, von der Weltgesundheitsorganisation herausgegeben, sortiert sie unter „Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen“ ein, während das DSM-IV sie unter die Angststörungen eingruppiert. Nijenhuis et al., 2003, plädieren dafür, sie in Zukunft unter die dissoziativen Störungen einzusortieren. Es bleibt abzuwarten, ob dies geschieht – es gibt allerdings einige Anzeichen dafür: Das ICD-10 richtet sich noch nach dem DSM-III, während das DSM-IV bereits die dissoziativen Störungen erheblich in ihrer Bedeutung verstärkt hat. Da das ICD sich, mit wenigen Abweichungen und jeweils nach einigen Jahren der Latenzzeit, nach dem DSM, das von der amerikanischen Psychiatervereinigung herausgegeben wird, zu richten pflegt, spricht einiges dafür, dass wir in etwa zehn Jahren die PTSD unter den (chronischen) dissoziativen Störungen wiederfinden.
Es hat, historisch betrachtet, lange gedauert, bis aus vielen Einzelbefunden und -störungsbildern wie der „Kriegsneurose“, dem „Shell shock“ (Granatenschock) – als Nachwirkungen bei Kriegsteilnehmern entdeckt – oder dem „Survivor syndrome“, dem Überlebenden-Syndrom, das bei Holocaust-Überlebenden und Folteropfern festgestellt worden war, eine gemeinsame Diagnose entstand (siehe u.a. Ehlers, 1999; Kinzie & Goetz, 1996). Das DSM, das dem ICD ja immer eine gute Nasenlänge voraus ist, nahm die Diagnose im Jahre 1980 auf – übrigens zeitgleich mit der Borderline-Störung und der multiplen Persönlichkeitsstörung; Letztere wurde eine DSM-Überarbeitung und später als dissoziative Identitätsstörung bezeichnet.
Heute kann man sich kaum noch vorstellen, welche Revolution es bedeutet
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