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Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition)

Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition)

Titel: Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Huber
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werden;
– trotz der starken Gefühlsschwankungen untergründig chronisches Gefühl von Leere und Langeweile;
– häufige und plötzliche Suizidimpulse und -versuche;
– kompensatorisch: Zwangsrituale.
    Natürlich sind solche Folgen von mangelnder Affekt- und Impulskontrolle, wenn vorübergehend auftretend, teilweise normale und entwicklungsbedingte Auffälligkeiten. Wenn jedoch ein Kind oder Jugendlicher heranwächst und die Außenstehenden bemerken können, dass es keine Reifung, keine Weiterentwicklung der Persönlichkeit gibt, dann könnte es sich um chronische Folgen von Traumatisierungen handeln.
    Persönlichkeitsstörungen
    So sind wir allmählich von den körperlichen und Leistungsmerkmalen zu den psychischen Auffälligkeiten gekommen, die nach Traumatisierungen auftreten können. Einige der genannten Symptome gelten auch als Kriterien für sogenannte Persönlichkeitsstörungen. Hierzu eine kritische Anmerkung:
    Persönlichkeitsstörungen sind im Wesentlichen Störungen der Beziehungsfähigkeit (siehe auch Kapitel 4.). Sie werden von Außenstehenden nach Beziehungsversuchen mit den Betroffenen (z. B. nach einem diagnostischen Aufnahmegespräch) gestellt – und vielleicht ist die ÄrztIn nur irritiert oder verärgert gewesen, hat etwas nicht verstanden; hinzu kam eine Selbstverletzung der PatientIn – und schon hat sie die Diagnose „weg“. Die amerikanische Psychotherapeutin Marsha Linehan hat ein beeindruckend klares und nachgewiesenermaßen erfolgreiches Therapieprogramm für BorderlinerInnen entwickelt, die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT, Linehan, 1998). Tatsächlich sind weit über 80 Prozent der Menschen, welche die Diagnose „Borderline-Syndrom“ bekommen, weiblichen Geschlechts. Linehan beschreibt die Situation schlechthin, bei der eine junge Frau (diese Diagnose wird eher jüngeren Frauen „angeklebt“) das „Borderline-Etikett“ bekommt: Nach einer Selbstverletzung oder einem Suizidversuch ist sie in der geschlossenen Abteilung einer Psychiatrischen Klinik gelandet, benimmt sich „störrisch“ beim Aufnahmegespräch – und schon ist es passiert (Linehan, 1998).
    Etwa drei Viertel aller Persönlichkeitsstörungsdiagnosen heißen „Borderline“ respektive „emotional instabile Persönlichkeit vom Borderline-Typus“. Der Rest verteilt sich auf „histrionische Persönlichkeit“ (die gute alte „Hysterie“), „narzisstische Persönlichkeit“, „paranoide Persönlichkeit“, „schizoide Persönlichkeit“, „dissoziale Persönlichkeit“, „anankastische (zwanghafte) Persönlichkeit“, „selbstunsichere (ängstliche, vermeidende) Persönlichkeit“, „dependente (abhängige) Persönlichkeit“ und „passiv-aggressive Persönlichkeit“.
    Im Grunde will der Diagnostiker damit nur sagen: Diese Person ist so durch und durch instabil (oder selbstunsicher oder zwanghaft oder ängstlich oder schwankend im Selbstwert oder von ihren Gefühlen abgeschnitten oder selbstbezogen ...), dass es ein Teil ihrer Persönlichkeit geworden ist. Das mag für die KollegInnen von Bedeutung sein, die diese Persönlichkeit therapeutisch begleiten sollen – aha, denken sie beim Blick auf den Arztbericht, hier haben wir es mit einer schwierigen Persönlichkeit zu tun, bei der Einsicht und Heilung dauern können.
    Anders sieht es für die Betroffenen selbst aus: Wer eine Persönlichkeitsstörungsdiagnose bekommen hat, wird rasch bemerken, wie stigmatisierend das sein kann. Man gilt als „Borderliner“, als „Narziss“, als „Hysterikerin“ (histrionische Persönlichkeit), als „abhängige (dependente) Persönlichkeit“ oder sogar als „antisoziale Persönlichkeit“ (Krimineller) etc. Und jede Persönlichkeitsstörungsdiagnose macht sozusagen durch die Hintertür die Betroffenen selbst für ihre Störung verantwortlich. Dabei haben unzählige Studien in den letzten Jahrzehnten eindeutige Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge gezeigt:
    Traumatisierungen wie frühe Vernachlässigung, Verwahrlosung, körperliche, seelische und/oder sexuelle Gewalt erklären mehr als 80 Prozent aller Persönlichkeitsstörungsdiagnosen.
    So kann man heute sagen: Längst nicht alle, die solche Traumata erlebt haben, erfüllen die Kriterien einer Persönlichkeitsstörung. Doch von denjenigen, die eine Persönlichkeitsstörungsdiagnose bekommen, haben weitaus die meisten schwere, da frühe und langjährige Traumatisierungen erlebt.
    Dissoziation
    Wenn man bedenkt, dass Persönlichkeitsstörungsdiagnosen dazu

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