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Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition)

Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition)

Titel: Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Huber
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Identitätsstörung)

    A. Persönlichkeitszustände
    Der „Smiley“ soll auf leicht ironische Weise andeuten, dass wir „Simpels“, die wir uns um ein – von Alltagsdissoziationen einmal abgesehen – ganzheitliches Leben und eine ebensolche Identität bemühen, so ganz „rund“ nie sind in unserer Persönlichkeit. Es fällt uns mehr oder weniger leicht, uns Wissens-, Gefühls- und Verhaltensbereiche aus unserer Persönlichkeit „herbeizuholen“, wenn wir sie benötigen. Doch wir alle haben manchmal Wissen zur Verfügung, das uns in anderen Situationen fehlt; benehmen uns manchmal kindlich (oder kindisch), etwa wenn wir ein Klassentreffen Ehemaliger besuchen, während wir zu anderen Zeiten völlig ernst und „erwachsen“ sind, auch vom innersten Gefühl her – etwa wenn wir anderen Menschen in ihrer Not beistehen. Unser „Sportvereins-Ich“ unterscheidet sich möglicherweise deutlich von unserem „Business-Ich“, und wenn wir mit unserer PartnerIn im Schlafzimmer sind, mag wieder ein anderer Teil von uns zum Vorschein kommen. Und noch ein anderer mag Außenstehenden völlig fremd bleiben – unser privatestes Allein-Ich: So, wie wir nur sind, wenn wir eine Weile mit uns selbst in „Klausur“ gegangen sind. Wir könnten jedes dieser Ichs als einen – vielleicht wandelbaren, vielleicht aber auch überdauernden – Persönlichkeits- oder Trance-Zustand betrachten, in den unsere Persönlichkeit gehen kann.
    Es gibt Menschen, die das sehr intensiv tun: Schauspieler zum Beispiel. Sie müssen verschiedene Selbst-Anteile haben – und auch eine Art „Leere“-Zustand, der mit dem Inhalt einer zu spielenden Rolle gefüllt werden kann. Ein Schauspieler auf der Bühne ist also in einem sehr intensiven Trance-Zustand und wird wahrscheinlich große Mühe haben, sich – während er spielt – noch an das zu erinnern, was er als Privatperson vor wenigen Stunden getan und gesagt hat. Ebenso wenig wird er während des Stücks intensiv darüber nachdenken, was er nach dem letzten Vorhang tun wird. Er kann zwar zu solchen Gedanken „hinüberswitchen“, vielleicht sogar unwillkürlich, aber jeder gute Schauspieler wird sich wieder mental auf die Bühne und in seine Rolle zurückzwingen können.
    Was ein Schauspieler bewusst macht – eine Rolle einnehmen, entweder eine, die er mit einem Teil von sich selbst identifiziert, oder auch eine fremde Rolle –, das machen manche Menschen unbewusst, und das kann sehr viel Leid erzeugen, weil sie den jeweiligen „Rollenwechsel“ kaum oder gar nicht selbst erzwingen können. Sie geraten, wie die Kliniker sagen, in „Ego-States“ – in verschiedene Ich-Zustände, die sich markant voneinander unterscheiden können.
    B. Strukturelle Dissoziation
    Nach Traumatisierungen entstehen auf der Ebene der strukturellen Dissoziation – wie die führenden europäischen Traumaforscher Onno van der Hart und Ellert Nijenhuis aus den Niederlanden zusammen mit ihrer internationalen Arbeitsgruppe herausfanden – häufig zwei unterschiedliche Formen von Zuständen:
    Der „anscheinend normale Persönlichkeitsanteil“  (ANP)  – auch Fassade oder Gastgeber-Persönlichkeit genannt. Sie weiß nichts von der überwältigenden Stresserfahrung des Traumas. Traumatisierte Menschen können sich ohne besondere Anstrengung tatsächlich in ihrem Alltagsbewusstsein und ihrer „normalen biografischen Erinnerung“ (die an die episodische Qualität des Hippocampus-Systems gebunden ist, siehe Kapitel 2) kaum oder gar nicht an ihr Trauma erinnern, jedenfalls nicht an die emotionalen Qualitäten dieses Traumas und dessen raumzeitliche Einordnung in die eigene Biografie. Meist sitzt man im Alltagsbewusstsein mehr oder weniger „wie der Korken auf der Flasche“ und bemüht sich, sich die Schrecken von „damals“ sozusagen vom Hals zu halten. Diese Erfahrungen sind abgespalten in getrennten Zuständen oder „Emotionalen Persönlichkeitsanteilen“  (EP s). Es kommt also zu einer Spaltung in Wissen und Gefühl, zumindest in Bezug auf die Traumaerfahrung. Der ANP oder „Apparently normal part of the personality“, den man bei ausgeprägter Dissoziation der Persönlichkeit auch „host“ – GastgeberIn – nennt, ist eine Art Steuerungsinstanz, die im Alltag funktionieren kann und versucht, einen oder mehr emotionale Persönlichkeitszustände, die „Emotional parts of the personality“ (EPs), in Schach zu halten. Dabei hat die ANP aber ein Problem: Sie kann nicht gleichzeitig eine EP sein. Sie

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