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Trauma

Trauma

Titel: Trauma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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sich ausbreitende Blutlache. Eine so vollkommene und bleiche Schönheit fand man sonst nur bei Marmorskulpturen.
    Offenbar war sie in den Unterleib getroffen worden.
    Ihre Augen waren geschlossen. Keinerlei Bewegung unter den Lidern.
    Ich legte ihr die Fingerspitzen an den Hals, suchte und suchte, fürchtete schon das Schlimmste und fand dann doch einen Puls – rasch und schwach, aber vorhanden.

    Ein Seufzer brach aus mir heraus und dann noch einer, bis mir klar wurde, dass Lorrie mich womöglich trotz ihrer Bewusstlosigkeit hören konnte und sich wegen meines Kummers ängstigte. Deshalb nahm ich mich zusammen, und obwohl meine Brust sich vor unterdrückten Schluchzern hob und senkte, ließ ich nur das raue Geräusch meines hektischen Atems heraus.
    Obwohl Lorrie bewusstlos zu sein schien, war ihre Atmung rasch und flach. Ich berührte ihr Gesicht, ihren Arm. Die Haut fühlte sich kalt und klamm an.
    Sie stand unter Schock.
    Mein Schock war emotionaler Art, er betraf Verstand und Herz, aber sie litt an einem körperlichen Schock, der durch Trauma und Blutverlust entstanden war. Wenn sie nicht an ihren Wunden starb, dann womöglich am Schock.
    Sie lag flach auf dem Rücken, was, wie ich noch wusste, eine ideale Position für Notfallmaßnahmen war.
    Ich faltete ein Geschirrhandtuch zusammen und schob es unter ihren Kopf, um ihn etwas abzupolstern. Nur ihre Füße durften angehoben werden.
    Dann zog ich mehrere Kochbücher aus dem Regal neben mir und legte sie aufeinander, um Lorries Füße etwa dreißig Zentimeter höher zu lagern.
    In Verbindung mit stark fallendem Blutdruck konnte jeder Wärmeverlust tödlich sein. Ich brauchte Decken, wagte es jedoch nicht, Lorrie lange genug allein zu lassen, um nach oben zu rennen und welche zu holen.
    Wenn sie starb, würde ich sie nicht alleine sterben lassen.
    Die Waschküche nebenan diente uns auch als Garderobe. Ich riss unsere Winterjacken von den Haken.
    In die Küche zurückgekehrt, breitete ich die Jacken über Lorrie aus. Meine Jacke und ihre. Die von Annie, Lucy und Andy.
    Dann legte ich mich neben sie, ohne mich um das ganze Blut
zu scheren, und schmiegte meinen Körper an ihren, um ihr meine Wärme zu geben.
    Während in der Ferne eine Sirene aufheulte, tastete ich nach Lorries Hals. Ihr Puls war nicht stärker als vorher, aber ich redete mir ein, dass er auch nicht schwächer war – und wusste, dass ich mich selbst belog.
    Ich sprach in ihre zarte Ohrmuschel und hoffte, dass sie sich an meiner Stimme festhalten konnte, dass meine Worte sie an diese Welt fesselten. Ich sagte Dinge, an die ich mich nicht mehr erinnern kann, Aufmunterungen und Ermutigungen, aber bald reduzierte sich das auf drei Wörter, auf die größte Wahrheit, die ich kannte und die ich mit leidenschaftlicher Eindringlichkeit unablässig wiederholte: »Ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich …«

49
    Mein Vater drängte die besorgten Nachbarn zurück. Widerstrebend traten sie von den zur Haustür führenden Stufen und dem Gartenweg auf den Rasen zwischen die Weihnachtsfiguren.
    Direkt hinter Dad kamen zwei Rettungssanitäter, die Lorrie auf einer Trage aus dem Haus rollten. Sie lag bewusstlos unter einer Wolldecke, an eine Plasmainfusion angeschlossen.
    Ich ging an ihrer Seite und hielt die Plasmaflasche in die Höhe. Den Sanitätern wäre es lieber gewesen, wenn ihnen ein Polizist assistiert hätte, aber diese Aufgabe traute ich nur mir zu.
    Die beiden hoben die Trage an, um sie die Stufen hinunterzutragen. Klappernd kamen die Räder auf dem Weg auf, quietschend rollten sie auf die Straße zu.
    Meine Mutter war oben im Mädchenzimmer, um die drei Kinder zu trösten und dafür zu sorgen, dass sie nicht aus dem Fenster schauten.
    Ein halbes Dutzend Streifenwagen stand mit laufendem Motor kreuz und quer auf der Straße. Die Blinklichter warfen abwechselnd rote und blaue Schatten auf die schneebedeckten Bäume und die Häuser rundum. Am Bordstein wartete der Rettungswagen, direkt hinter dem Geländewagen, mit dem Konrad Beezo gekommen war.
    Kevin Tolliver, der Sanitäter, der sich auf dem Weg zum Krankenhaus um Lorrie kümmern sollte, nahm mir die Plasmaflasche ab und stieg hinten ein, während sein Partner Carlos Nuñez die Trage ins Fahrzeug schob.

    Als ich ebenfalls einsteigen wollte, hielt Carlos mich zurück. »Kein Platz, Jimmy. Kevin hat zu tun. Du willst ihn doch bestimmt nicht bei der Arbeit behindern.«
    »Aber ich muss …«
    »Ich weiß«, unterbrach mich

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