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Trauma

Trauma

Titel: Trauma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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Carlos, »aber wenn wir im Krankenhaus sind, kommt sie direkt in die Chirurgie. Da kannst du auch nicht mit rein.«
    Widerwillig wich ich zurück.
    Carlos schloss die Türen zwischen Lorrie und mir. Vielleicht war dies das letzte Mal, dass ich sie lebendig sah.
    »Dein Dad wird dich hinbringen, Jimmy«, sagte Carlos. »Ihr könnt direkt hinter uns bleiben.«
    Als er nach vorn eilte und sich auf den Fahrersitz schwang, trat Dad zu mir und führte mich von der Straße auf den Gehsteig.
    Wir kamen an der Krippe vorbei, wo Engel, Könige und demütige Tiere über die Heilige Familie wachten.
    Ein kleiner Strahler war durchgebrannt, sodass einer der Engel im Schatten stand. Mitten in der sonst hell erleuchteten Szene sah er mit seinen halb gefalteten Flügeln unheilvoll und bedrohlich aus.
    Auf der Einfahrt meines Elternhauses quollen dichte Wolken aus dem Auspuff von Dads Chevrolet.
    Oma hatte den Wagen aus der Garage gefahren, um ihn für uns bereitzustellen. Sie stand daneben, fürs Abendessen angezogen, ohne Mantel.
    Obwohl sie mittlerweile fünfundachtzig war, konnte sie einem mit einer Umarmung fast die Knochen brechen.
    Carlos schaltete die Sirene ein und lenkte den Rettungswagen auf die Fahrbahn. Ein Polizist winkte ihn über die nächste Kreuzung.
    Während die Sirene rasch leiser wurde, drückte Oma mir
etwas in die rechte Hand, gab mir einen Kuss und schob mich in den Wagen.
    Der Polizist an der Kreuzung winkte auch uns durch, und als wir aufs Krankenhaus zu fuhren, betrachtete ich meine geballte rechte Hand. Die Finger waren mit meinem Blut und dem meiner geliebten Frau verkrustet.
    Als ich die Hand öffnete, stellte ich fest, dass Oma, die eine Weile oben bei meiner Mutter und den Kindern gewesen war, aus Lorries Schmuckkästchen die Halskette mit der Gemme geholt hatte, die mein erstes Geschenk an sie gewesen war, damals, als wir frisch verliebt gewesen waren.
    Die Kette war eines von ganzen drei Dingen, die den Brand unseres ersten Hauses überstanden hatten. So zierlich, wie sie war, hätte sie eigentlich zerstört sein müssen. Die Goldkette und die vergoldete Fassung hätten schmelzen sollen; das aus weißem Speckstein geschnitzte Bild einer Frau im Profil hätte Risse bekommen und schwarz werden sollen.
    Der einzige Schaden, den das Schmuckstück genommen hatte, war jedoch die leichte Verfärbung einiger Haarlocken des Frauenkopfs. Die Gesichtszüge waren so fein wie eh und je.
    Manche Dinge sind offensichtlich nicht so zerbrechlich, wie es den Anschein hat.
    Ich schloss meine blutbefleckte Hand um die Kette und hielt sie krampfhaft fest. Als wir am Krankenhaus ankamen, tat meine Handfläche so weh, als hätte man einen Nagel hindurchgebohrt.
    Lorrie war schon im Operationssaal.
    Eine Krankenschwester bestand darauf, mich zur Notaufnahme zu bringen. Der Schuss, den Beezo im Wohnzimmer auf mich abgefeuert hatte, hatte den Knorpel meines rechten Ohrs zerrissen. Die Schwester reinigte das Ohr und spülte das verklumpte Blut aus der eustachischen Röhre. Ich weigerte mich,
etwas anderes als eine örtliche Betäubung zuzulassen, während ein junger Arzt die Wunde so gut vernähte, wie er konnte.
    Für den Rest meines Lebens würde mir das Ohr die Aura eines böse zugerichteten Boxers verleihen, der zu viele Jahre im Ring gestanden hatte.
    Da man uns nicht erlaubte, auf dem Flur vor dem Operationssaal zu warten, in den man Lorrie gebracht hatte, warteten Dad und ich im Vorraum der Intensivstation. Dorthin würde Lorrie kommen, sobald der Chirurg fertig war.
    Der Vorraum war trostlos, aber das war mir nur recht. Ich wollte nicht von hellen Farben, weichen Sesseln und heiterer Kunst aufgemuntert werden.
    Ich wollte leiden.
    Eine irrwitzige Sorge trieb mich um: Wenn mein Verstand, mein Herz oder mein Körper ermüdeten, wenn ich mich auch nur ein winziges bisschen der Erschöpfung hingab, dann würde Lorrie sterben. Ich hatte das Gefühl, dass ich nur durch die Schärfe meiner Qualen den Himmel auf mich aufmerksam machen und sicher sein konnte, dass meine Gebete erhört wurden.
    Weinen durfte ich jedoch nicht, denn dann hätte ich eingestanden, dass ich das Schlimmste befürchtete. Dadurch aber würde ich den Tod auffordern, sich das zu nehmen, was er wollte.
    In jener Nacht ersann ich eine Weile mehr abergläubische Vorschriften als ein Zwangsneurotiker, dessen Alltag von ausgeklügelten häuslichen Ritualen und Verhaltensregeln beherrscht wird, die auf magische Weise Unheil abwenden sollen.
    Eine Zeit lang

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