Trauma
kopierte und sich daranmachte, einen ganzen Stapel Formulare auszufüllen, bediente ich mich des dortigen Telefons, um Huey Foster anzurufen. Das war der Kindheitsfreund meines Vaters, jener gescheiterte Bäcker, der Polizist geworden war.
Wir erinnern uns: Von Huey hatte Dad die Freikarte zum Zirkus geschenkt bekommen, auf deren Rückseite er die fünf schrecklichen Tage in meinem Leben notiert hatte. Das nahmen wir Huey allerdings nicht übel.
Er hatte normalerweise nachts Dienst, und tatsächlich erwischte ich ihn auf der Polizeiwache. Als ich ihm von Konrad
Beezo berichtete, dem flüchtigen Mörder und erfolglosen Kindesentführer, der etwa drei- bis vierhundert Meter westlich von seinem am Straßenrand stehenden Hummer an einen Baum gefesselt war, sagte Huey: »Das fällt in die Zuständigkeit der State Troopers. Ich rufe sie gleich an und fahre mit. Nach all den Jahren will ich diesem Irren persönlich die Handschellen anlegen.«
Als Nächstes rief ich meine Eltern an, verriet ihnen jedoch nur, dass wir im Krankenhaus seien, weil Lorrie in den Wehen lag.
»Ich male gerade ein Hängebauchschwein«, sagte meine Mutter, »aber das kann warten. Wir kommen, so rasch wir können.«
»Es ist doch nicht nötig, dass ihr in diesem Wetter herkommt. «
»Mein Schatz, selbst wenn es Skorpione und Kuhfladen regnen würde, würden wir kommen, obwohl das nicht besonders angenehm wäre. Allerdings brauchen wir eine Weile, weil wir Rowena erst in ihren Schneeanzug stecken müssen. Du weißt ja, was für ein Theater sie da machen wird, aber wir kommen trotzdem. «
Nachdem mir die Dame an der Aufnahme die ausgefüllten Formulare zum Unterschreiben vorgelegt hatte, ging ich schnurstracks hoch zur Entbindungsstation.
Das Wartezimmer für werdende Väter war seit der Nacht, in der ich meine Mutter bei der Geburt so gepiesackt hatte, renoviert worden. Dabei hatte man das Durcheinander greller Farben durch einen grauen Teppichboden, blassgraue Wände und schwarze Kunstledersessel ersetzt. Vielleicht war die Krankenhausleitung zu dem Schluss gekommen, in den seither vergangenen vierundzwanzig Jahren habe die Elternschaft jeden Reiz verloren.
Die Dame an der Aufnahme hatte oben angerufen, um meine Ankunft anzukündigen. Eine Schwester führte mich zu einem
Waschraum, wo ich mich vorschriftsmäßig reinigte und in grüne Krankenhausklamotten schlüpfte; dann brachte man mich zu meiner Frau.
Lorries Fruchtblase war zwar immer noch nicht geplatzt, aber alles deutete auf eine baldige Geburt hin. Deshalb – und weil keine andere schwangere Frau so verwegen gewesen war, in einem Schneesturm Wehen zu bekommen – hatte man sie rasch in ihrem Zimmer vorbereitet und gleich in den Entbindungsraum geschafft.
Als ich hereinkam, war eine stämmige, rothaarige Krankenschwester damit beschäftigt, Lorries Blutdruck zu messen, während Dr. Mello Melodeon, unser Arzt, mit seinem Stethoskop ihrem Herzschlag lauschte.
Mello ist so massig wie ein Footballspieler und so sympathisch wie ein Kneipenwirt, der sich wegen seines Charmes nie über leere Barhocker beklagen muss. Außerdem hat er Charakter. In Anbetracht seines poetischen Namens, seiner rosinenfarbenen Haut, seiner entspannten Art und seiner wohlklingenden Stimme hätte man ihn für einen Rastafari aus Jamaika halten können, der Dreadlocks und Reggae gegen eine medizinische Karriere eingetauscht hatte. In Wirklichkeit war er in Atlanta geboren und kam aus einer Familie professioneller Gospelsänger.
»Jimmy«, sagte er und nahm das Stethoskop ab, »woran liegt es eigentlich, dass Rachel deine gedeckte Schoko-Apfel-Torte nicht so hinbekommt wie du?«
Rachel war seine Frau.
»Wo hat sie überhaupt das Rezept her?«, fragte ich.
»Das geben sie einem im Restaurant vom Snow Village Resort, wenn man sie darum bittet. Wir haben letzte Woche da gegessen. «
»Sie hätte mich mal fragen sollen. Das war das Originalrezept
vom Restaurant, aber ich habe es verändert. Vor allem habe ich jeweils einen Teelöffel Vanille und Muskat hinzugefügt.«
»Das mit dem Muskat leuchtet mir ein, aber Vanille in einem Schokoladenkuchen?«
»Das ist ja das Geheimnis«, versicherte ich ihm.
»Juhu, ich bin auch noch da«, meldete sich Lorrie.
Ich griff nach ihrer Hand. »Und du sprichst gar nicht mehr von Dingen wie Crêpes Suzette und Clafouti.«
»Weil ich jetzt an etwas noch Schöneres denke«, sagte sie. »An Periduralanästhesie. Ist das nicht ein wunderschönes Wort?«
»Also, damit ich das
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